2021 | Rückblick Demokratietagung „Politisch Handeln im autoritären Sog: UNGEHORSAM “

Wie viel Ungehorsam braucht die Demokratie? Welches utopische Potential verbirgt sich in Formen des Ungehorsams? Und was bedeutet Ungehorsam im autoritären Sog? Um sich über diese Fragen auszutauschen, kamen am 2. Juli 2021 47 Menschen aus Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft bei unserer digitalen Demokratietagung zusammen.
Die Tagung war eine Kooperation mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen und Kulturbüro Sachsen und schloss inhaltlich an die Demokratietagung „Politisch Handeln im autoritären Sog“ im Jahr 2019 an. Kerninhalte und Diskussionsanregungen aus beiden Tagungen sind im gleichnamigen Tagungsband zusammengefasst. Die Publikation kann als Printversion kostenfrei bei Weiterdenken bestellt werden (zur Bestellung) und steht auf dieser Website zum Download (PDF 2.3 MB) und als Webversion zur Verfügung. (Zum Inhaltsverzeichnis)
Rückblick: Das war die Tagung
Vortrag: Standhalten im autoritären Sog – Über zivilen Ungehorsam, Passivität und Beziehungsweisen
Eröffnet wurde die Tagung durch einen Fachvortrag, der das Potential zivilen Ungehorsams für die Stärkung der Demokratie im autoritären Sog aus politikwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet und zur Diskussion stellt. Während des Vortrages von PH Dr. Julia Schulze Wessel „Standhalten im autoritären Sog – Über zivilen Ungehorsam, Passivität und Beziehungsweisen“ wurden den Teilnehmenden in drei Kleingruppen-Phasen die Möglichkeit zur Reflektion des Gehörten und Raum zur gemeinsamen Diskussion gegeben. Sie stellen sich beispielsweise den Fragen: Was macht die ideale Bürger_in in einer Demokratie aus? Wie verändert sich der Blick auf die ideale Bürger_in in einer Demokratie und unser eigenes politisches Handeln durch den Begriff der Passivität? Und welche Beziehungen brauchen wir, um gemeinsam Stand zu halten im autoritären Sog. Der Vortrag wurde in deutsche Gebärdensprache verdolmetscht.
Julia Schulze Wessel ist Geschäftsführerin von anDemos – Institut für angewandte Demokratie- und Sozialforschung e.V. in Dresden. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Demokratietheorie, Grenzen der Demokratie, Partizipation, Flucht und Migration.
Workshops
Nach der Mittagspause kamen die Teilnehmenden in einer praktischen Workshop-Phase nach kurzen Impulsen der Workshopleitenden darüber ins Gespräch, wie sich diese Überlegungen in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern der alltäglichen Demokratiearbeit umsetzen lassen. In den fünf Workshops wurden folgende Themenaspekte diskutiert:
Blockieren
Im Workshop „Blockieren“ diskutierten Julika Mücke und Andrea Pabst grundsätzliche Überlegungen zu Praktiken des Blockierens. Denn Blockaden sind das sichtbarste Mittel des zivilen Ungehorsams, sie schaffen Öffentlichkeit und drücken Protest aus. Zugleich stehen sie in der Kritik, denn sie greifen mitunter in die Versammlungsfreiheit anderer ein. Der Workshop diskutierte also anhand von Beispielen, wann sind Blockaden ein legitimes Mittel sind – und was die unterschiedlichen Bewegungen voneinander lernen können.
Julika Mücke forscht zur Legitimation von Protest in Medien und anderen Öffentlich-keiten. In ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit diskursiven Aushandlungsprozessen zur (De-)Legitimation von Rioting als Protest gegen Rassismus im Anschluss an den Tod von Michael Brown 2014 in den USA. Sie lebt in Hamburg und ist dort derzeit politisch vor allem in queerfeministischen Kontexten aktiv.
Interview mit Julika Mücke im Tagungsband „Politisch Handeln im autoritären Sog“
Andrea Pabst beschäftigte sich in ihrer Promotion mit dem Umgang mit Verletzlichkeit in linkspolitischem Aktivismus. Zivilen Ungehorsam versteht sie vor allem als politisch umkämpften Begriff, mit dem sehr unterschiedliche Formen des Protests mit ebenso verschiedenen Intentionen benannt werden. Sie lebt in Hamburg und arbeitet als Beraterin in einer Frauen- und Partnerschaftsberatungsstelle sowie als Trainerin und Moderatorin unter anderem in der politischen Bildungsarbeit.
arbeiten unterlassen – feministisches Streiken als politisches Handeln
Im Workshop „arbeiten unterlassen – feministisches Streiken als politisches Handeln“ folgten die Teilnehmer_innen den Ausführungen von Rosa Klee und Anja Wiede über das politische Potential des Unterlassens von Lohn- bzw. Sorgearbeit durch FLINTA*.
Rosa Klee ist Musikerin, Philosophin und Gewerkschaftsmitglied der branchenübergreifenden und basisdemokratischen FAU (Freie Arbeiter:innen Union) Dresden. Dort übt sie in der AG Feministische Kämpfe Theorie und Praxis feministischen Streikens.
Unter Extremismusverdacht: Antifaschismus und demokratische Zivilgesellschaft
Im Workshop „Unter Extremismusverdacht: Antifaschismus und demokratische Zivilgesellschaft“ diskutierten die Teilnehmenden mit Solvejg Höppner und Franz Hammer, wie sie sich in ihrem Engagement für eine demokratische Kultur und gegen Rechtsextremismus den permanenten Verdächtigungen einiger politischer Akteure erwehren können, selbst (links)extremistisch zu sein.
Solvejg Höppner und Franz Hammer sind das Mobile Beratungsteam (MBT) – Regionalbüro Nordwest beim Kulturbüro Sachsen.
Zum Beitrag »Antifaschismus – ein unbequemes Konzept« von Solvejg Höppner im Tagungsband »Politisch Handeln im autoritären Sog«
„Ungehorsam“ von rechts und wie wir (kreativ) damit umgehen
Im Workshop „Ungehorsam“ von rechts und wie wir (kreativ) damit umgehen“ mit Michael Nattke erarbeiteten die Teilnehmenden, warum öffentliche Aktionen von rechten Akteuren eben keine Praktiken des Zivilen Ungehorsams sein können: Weil sie demokratische Grundwerte angreifen anstatt sie zu verteidigen. Zudem kamen die Teilnehmenden ins Gespräch darüber, wie die demokratische Zivilgesellschaft auf derlei Aktionen von Rechts reagieren kann.
Michael Nattke ist Fachreferent beim Kulturbüro Sachsen mit dem Schwerpunkt extreme Rechte in Ostdeutschland.
Zum Beitrag »Gegen die Vereinnahmung zivilen Ungehorsams von rechts – eine ideengeschichtliche Verteidigung« von Huyen Vu und Michael Nattke im Tagungsband »Politisch Handeln im autoritären Sog«
Berichterstattung über Protest – Was brauchtʼs für die Schlagzeile von morgen?
Wie arbeiten Journalist_innen? Was brauchen sie an guter Zuarbeit in Form von ÖA von den Initiativen, um über deren Engagement berichten zu können? Im Workshop „Berichterstattung über Protest – Was brauchtʼs für die Schlagzeile von morgen?“ gab der Journalist Tobias Prüwer den Teilnehmenden ganz praktische Tipps und Tricks für eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit von Demokratie-Initiativen.
Tobias Prüwer ist freier Kulturjournalist und schreibt unter anderem für das Leipziger Stadtmagazin kreuzer, für Der Freitag, Jungle World, Nachtkritik und Jüdische Allgemeine.
Zum Beitrag »Aktivismus in der medialen Aufmerksamkeitsökonomie« von Tobias Prüwer im Tagungsband »Politisch Handeln im autoritären Sog«
Die Tagungsdokumentation

Aus der Publikation „Politisch Handeln im autoritären Sog“
2020 | Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Kulturbüro Sachsen und Netzwerk Tolerantes Sachsen | Förderhinweis | ISBN / DOI 978-3-946541-39-4 | CC-BY-NC-ND 3.0
Eine Veranstaltung von
Eine gemeinsame Tagung von Netzwerk Tolerantes Sachsen, Kulturbüro Sachsen und Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen
Gefördert
