04./05.10.19 | LOST IN TRANSFORMATION – Konferenz zu aktuellen Analysen der ostdeutschen Gesellschaft | Leipzig
Zur Tagungsdokumentation
Die Konferenz zum Nachhören
04.10. 18:00 – 05.10. 16:30 galerie KUB, Kantstraße 18, 04275 Leipzig
Was ist eigentlich im Osten los? Hohe Wahlergebnisse der AfD, verbale Übergriffe, gewalttätige Auseinandersetzungen haben insbesondere in Ostdeutschland ständig zugenommen. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung kündigt das bisher stille Einverständnis mit den Regierenden auf und läutet eine neue Phase der Nachwendegeschichte ein. Mit Debatten über „ostdeutsche Lebensleistung“, einen „Gerechtigkeitsfonds“, eine verbindliche Einstellungsquote für Ostdeutsche, aber auch das Sprechen über biographische Brüche haben Deutungen über den Charakter der ostdeutschen Teilgesellschaft 30 Jahre nach dem Mauerfall wieder Hochkonjunktur.
Die Konferenz „Lost in Transformation“ versammelt gegenwärtige Analysen über die Eigenarten Ostdeutschlands. Neben aktuell diskutierten Fragen zum ostdeutschen Wohnungsmarkt, zum Rechtsruck und zur spezifischen ostdeutschen Wirtschaftsweise werden auch die ideologischen Hinterlassenschaften der DDR-Gesellschaft und die Widersprüchlichkeiten der Debatten zu Migration damals und heute beleuchtet.
Programm
Freitag, 04.10.2019
18.00 Uhr Ankommen
19.00 Uhr Eröffnung der Konferenz
19.30 Uhr Werkstattlesung: „Das Zauberwort heißt Doppelleben“
Die Leipziger Autorin Carolin Krahl liest aus ihrem Romanmanuskript, in dem die Erfahrungen jener Generation von Frauen reflektiert werden, die in der Zeit der Wende in Ostdeutschland aufwuchs und damit früh durch die Veränderungen der gesellschaftlichen Stellung der Frau zwischen DDR und BRD geprägt wurden. (Carolin Krahl, Autorin, Leipzig)
20.30 Uhr Podiumsdiskussion: „Wie schauen wir heute zurück? Feministische Perspektiven auf die Wiedervereinigung“
Samstag, 05.10.2019
10.00 Uhr Eröffnungsvortrag „Lost in Transformation: aktuelle Forschung und Debatten in und über Ostdeutschland“ (Eröffnung durch die Veranstlater*innen)
11.00 Uhr Vortrag und Diskussion: „Die Widersprüche der SED-Ideologie und ihre Auswirkungen“ (Jeanne Franke, Soziologin, Leipzig)
In den öffentlichen Auseinandersetzungen um Ostdeutschland wird die DDR häufig pauschal als eine zweite deutsche Diktatur und autoritäres Regime bestimmt. Ziel des Vortrags ist es, einen differenzierteren Blick auf die politische Herrschaft der SED zu werfen und die Idee eines sozialistischen Staates ernst zu nehmen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zwischen Demokratie und Diktatur sowie Internationalismus und Antiimperialismus.
11.00 Uhr Vortrag und Diskussion: „Kapitalismus in der Peripherie – die Politische Ökonomie Ostdeutschlands“ (Dominik Intelmann, Humangeograph, Leipzig)
Die Politische Ökonomie Ostdeutschlands ist geprägt durch eine strukturelle Abhängigkeit vom westdeutschen Landesteil. Dabei schlägt sich das Fehlen einer lokalen Eigentümer*innenklasse in einer dauerhaften Transferabhängigkeit nieder. Im Beitrag wird diese bis heute andauernde Konstellation anhand der politischen Richtungsentscheidungen im Wiedervereinigungsprozess rekonstruiert.
12.30-14.00 Uhr Pause
14.00 Uhr Doppelvortrag und Diskussion: Die Wohnungsfrage(n) in Ostdeutschland zwischen sozialer Ungleichheit und politischem Autoritarismus (Elisa Gerbsch, Humangeographin, Leipzig & Paul Zschocke, Sozialwissenschaftler, Leipzig)
Die Suche nach Antworten auf die Wohnungsfrage aus sozialistischer Perspektive fand mit der Wende ihr jähes Ende. In den 1990er Jahren breitete sich eine Landschaft schrumpfender Städte aus. Erst in den 2000er Jahren gelang es der politischen Ökonomie Ostdeutschlands Städten wie Dresden, Leipzig oder Jena eine neue Anziehungskraft zu verleihen. Die revitalisierten Wohnungsmärkte leben jedoch von einem dauerhaften Verdrängungsdruck. In der Folge entsteht in den ostdeutschen Städten eine Wohnungsfrage von neuem Charakter.
Die Großwohnsiedlung galt ihren Erbauern in der DDR als architektonische visionäre Umsetzung sozialistischen Wohnens und Lebens. Nach 30 Jahren Transformation erfüllt sie jedoch eine gänzlich andere Funktion im städtischen Gefüge ostdeutscher Groß- und Mittelstädte. Am Fallbeispiel Leipzig-Grünaus wird verdeutlicht, wie dieser Funktionswandel einherging mit einer Abwertung von Lebensweisen, dem Aufkommen neuer städtischer Konflikte und der Zunahme gegenwärtiger autoritär-populistischer Potentiale.
14.00 Uhr Gespräch und Diskussion: „Migrationserfahrungen in Ostdeutschland – Die Perspektiven ehemaliger Vertragsarbeiter*innen und der Nachwendegeneration“ (Nhi Le, freie Journalistin und Bloggerin, Leipzig und Emiliano Chaimite, Vorsitzender des Dachverbands Sächsischer Migrantenorganisationen, Dresden)
In einem Gespräch mit anschließender Diskussion werden die Erfahrungen unterschiedlicher Generationen von Menschen mit Migrationserfahrung in Ostdeutschland in den Blick genommen. Welche spezifischen Veränderungen brachte die Wiedervereinigung und inwiefern knüpfen aktuelle Widersprüchlichkeiten innerhalb der Debatten um Migration an diejenigen der Wendezeit an? Welche Rolle spielen die Kategorien Ost und West heute?
16.00 Uhr Pause
16.30 Uhr Abschlussdiskussion: „Ostdeutschland und kein Ende? Gesellschaftliche Realitäten 30 Jahre nach der Wiedervereinigung“
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Die Mittagspause basiert auf Selbstversorgung.
Veranstalter*innen: Wer sind wir?
Das fragen wir uns als ost- und westdeutsche Kinder der späten 1980er und 1990er auch manchmal. Die Idee zu dieser Konferenz entstand im Kontext unserer wissenschaftlichen Arbeit sowie zahlreicher Gesprächsrunden über unsere Familien, über Legenden der “alten Zeiten”, über Schicksalsschläge und Identitätskrisen, über die Frauen- und Männerbilder verschiedener Generation, über gesellschaftlichen Zusammenhalt oder Autoritätshörigkeit und nicht zuletzt den Aufstieg neuer Rechter.
Die Konferenz entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Kritische Geographie Leipzig und dem Verein für Engagierte Wissenschaft.
Ausführlichere und aktuelle Informationen zum Programm:
E-Mail: ost-konferenz@engagiertewissenschaft.de
AG Ostdeutschlandforschung
Ecksteinstraße 29
04277 Leipzig
In Kooperation mit




Hinweis: Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.