28.10. | Das Gerücht über die Anderen – Verschränkungen von Antisemitismus, Rassismus gegen Rom*nja und Sint*ezze und Sozialchauvinismus | Dresden

10:00 – 20:00 Uhr | Goethe Institut Dresden, Königsbrücker Str. 84

Autor_innen: Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V.

Das Gerücht über die Anderen – Verschränkungen von Antisemitismus, Rassismus gegen Rom*nja und Sint*ezze und Sozialchauvinismus

Herbstschule mit Vorträgen, Werkstattbericht, Workshops und Exkursion

Antisemitismus, Antiromaismus, der Rassismus gegenüber Rom*nja und Sint*ezze und Sozialchauvinismus scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Ideologien zu sein. Die Abwertung und der offene Hass gegenüber Jüdinnen und Juden, Rom*nja und Sint*ezze, Armen und Menschen, die als abweichend stigmatisiert werden, führte in der Vergangenheit zu gewalttätigen Angriffen, Pogromen und der Verfolgung und Vernichtung in den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus.

Trotz all der Unterschiedlichkeit sind Antisemitismus, Antiromaismus und der Sozialchauvinismus mit dem Kapitalismus und seinem Arbeitsbegiff verwoben. ‚Juden‘ werden mit der abstrakten Seite des Kapitalismus, Macht und Weltverschwörung assoziiert. Der Antiromaismus hingegen identifiziert in den Rom*nja und Sint*ezze hauptsächlich Menschen, die durch ›Betteln‹ oder ›Stehlen‹ ihr Leben bestritten und keiner ›ehrlicher Arbeit‹ nachgängen.
>>Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen<< fasst die Haltung sozialchauvinistischer Fürsorgepolitik in Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Die Soziale Frage wird repressiv beantwortet und gesellschaftliche Auswirkungen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Erkrankungen wird mit Disziplinierung, Ausgrenzung und Arbeitszwang begegnet.

Mit dem Fokus einer Kritischen Theorie stellt die Tagung verschiedene Fragen.
Was lässt sich aus der zusammenführenden Analyse von Antisemitismus, Antiromaismus und Sozialchauvinismus ableiten? Wie kann diesem Hass mit unterschiedlichen Gesichtern und dem ihr innewohnenden Verachtung solidarisch begegnet werden? Welche Transformationen und Neudefinitionen in >>Arbeit, Aktivität und Wirtschaft<< braucht es? Die Herbstschule geht in ihrem Programm diesen Verbindungslinien und ihren Konsequenzen nach.
 

10 Uhr Begrüßung und Einführung in das Programm durch Heike Kadner, (HATiKVA) und Kathrin Krahl, RomaRespekt bei Weiterdenken

10:10 Uhr Keynote von Niolas Lelle aus seinem Buch Arbeit, Dienst und Führung. Der Nationalsozialismus und sein Erbe.

Nikolas Lelle zeigt in seinem Beitrag auf, dass die nationalsozialistische Vernichtungspolitik nicht plötzlich passierte, sondern dass Ein- und Ausschlüsse aus Arbeit und Gesellschaft mit der Konstruktion „deutschen Arbeit“ zu tun haben. Über die NS-Arbeitsauffassung lässt sich der Zusammenhang von Antisemitismus, Antiromaismus und Sozialchavinismus im Nationalsozialismus und seiner Tradierung verstehen und der KZ-Devise „Arbeit macht frei“ annähern.

10:30 Uhr Werkstattbericht mit Ella Falldorf und Daniel Schuch vom Initiativkreis Riebeckstraße 63: Die ehemalige Städtische Arbeitsanstalt Leipzig als aktiver Erinnerungsort“

Der Werkstattbericht geht auf die Geschichte der Riebeckstraße 63 als Ort ein und erzählt von den Aktivitäten des Initiativkreis. Im Leipziger Ortsteil Reudnitz-Thonberg befindet sich der Gebäudekomplex Riebeckstraße 63, der von einer drei Meter hohen gelben Backsteinmauer umgeben ist. 1892 wurde hier das „Arbeitshaus St. Georg“ eröffnet. Vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und die DDR bis heute wurden die Gebäude durchgängig genutzt. Auf insgesamt 28.000 m² wurde im Jahr 1892 die »Zwangsarbeitsanstalt zu St. Georg errichtet«, die zur Unterbringung und »sittlichen Besserung arbeitsscheuer, trunksüchtiger und liederlicher Armer« diente. Während der NS-Zeit war die städtische Arbeitsanstalt als kommunaler Akteur an der Verwahrung und Verfolgung von als asozial stigmatisierten Gruppen beteiligt. Zudem diente das Gelände als Sammelstelle für Jüdinnen und Juden, Sint*ezze und Rom*nja, die von hier in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden, sowie als zentrale Verteilerstelle von NS-Zwangsarbeit. Auch in der DDR wurde das Gebäude und seine bauliche Infrastruktur genutzt. Zum Beispiel befand sich hier eine Venerologische Station, in der Mädchen und Frauen über Wochen zwangsweise auf Geschlechtskrankheiten untersucht wurden.

11-12 Uhr Imbiss und Kaffee

12 Uhr Workshop mit Anne Goldenbogen (Bildung in Widerspruch e.V.) und Dr. Sarah Kleinmann (Forschungsstelle Antiziganismus, Universität Heidelberg) zu Antisemitismus und Antiziganismus im Kontext von Ökonomie und (vermeintlicher) Ökonomiekritik

Sowohl im Antiziganismus als auch im Antisemitismus sind Zuschreibungen der «heimatlosen» Nichtsesshaftigkeit und der nicht produktiven, unehrlichen Arbeit zentrale Elemente. Beide Ideologien implizieren Vorwürfe gegenüber den Betroffenen, sich den Verwertungserfordernissen des Kapitals zu entziehen und sich nicht dem Primat der Arbeit zu unterwerfen. Der Workshop diskutiert ideologische Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede beider Phänomene.

14:30-15:30 Imbiss

15:30 -18 Uhr Exkursion mit Stefanie Busch (Künstlerin, solidarische Dachgenossenschaft WoGe Dresden und Weiterdenken) zur ehemaligen Arbeitsanstalt Dresden, zu einem Graffiti in Erinnerung an den Sinto-Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann mit Mario Ferizovic und Anne Klopfer (Romano Sumnal e.V. und RomaRespekt) und zum ehemaligen Judenlager am Hellerberg mit Heike Kadner (HATiKVA) und audioscript.net.
 

18:30 Vortrag und Gespräch mit Ulrike Grossarth zu Nebensächliches im Zentrum

In einem Vortrag und Gespräch stellt Ulrike Grossarth ihre Initiative Die Schule von Lublin vor. Sie entwickelt eine künstlerische Praxis, die die Formulierung eines zukünftigen Kunst- und Kulturbegriffs aus den Quellen jüdischer Denk- und Lehrtradition reflektiert und den daraus herrührenden Qualitäten des Unabgeschlossenen, permanent sich Erneuernden, Lebendigen und einer Dynamik von variablen Beziehungen zwischen divergenten Motiven. Ihr Interessensschwerpunkt dabei liegt auf anthropologischen Themen. Dazu gehört auch das Studium des Talmuds, dass Sie in verschiedenen Lerngruppen seit 2012 praktiziert. Es geht, mit einem Zitat von Emmanuel Lévinas, um ….“einen Ort konkreter ‚Inszenierung’ dessen, was sich anstelle von Abstraktion sagen läßt.“

Moderation und Konzeption: Renata Horvathova, Kathrin Krahl, Sabine Richter, Stefan Schwarz, Irina Suttner, Susanne Voigt


Anmeldung unter: schwarz@hatikva.de

Ort: Goethe Institut Dresden, Königsbrücker Str. 84

Du möchtest oder musst mit Kind kommen, sprich uns an, wir finden eine Lösung.

 

Am Vorabend um 20 Uhr findet eine Lesung mit Gespräch mit dem Autor Nikolas Lelle zum Buch Arbeit, Dienst und Führung. Der Nationalsozialismus und sein Erbe (2022, Verbrecher Verlag) in der kosmotique, Martin-Luther-Str. 13 in Dresden statt.

Eine Kooperation zwischen RomaRespekt bei Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, HATiKVA e.V., audioscript.net und Goethe Institut Dresden.

Unterstützt durch das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“, die „Stiftung der Ostsächsischen Sparkasse Dresden“ und ´Gibt´s doch gar nicht…´ – Sensibilisierung für antisemitische Einstellungen und Diskriminierung in der Gegenwart ein Modellprojekt von HATiKVA e.V. bei „Demokratie leben!“

Weitere Informationen hier

HATiKVA e.V.

HATiKVA, 1992 als gemeinnütziger Verein gegründet, widmet sich der Bildungsarbeit zu jüdischer Geschichte und Kultur. Die wichtigste Zielgruppe bilden Kinder und Jugendliche. Weitere Arbeitsfelder sind Forschung und Publikationen zu jüdischer Geschichte in der Region sowie ein umfangreiches Kulturangebot. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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