TolSax Update | Newsletter Februar 2020

Zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen Rassismus hat es nicht leicht in Sachsen. Das hat der Fall Treibhaus Döbeln in den letzten Wochen hinlänglich bewiesen. Warum wir diesen Fall als ein Beispiel für den autoritären Sog ansehen und was wir dagegen machen wollen, erfahrt Ihr im Februar-Newsletter des TolSax. Wie immer zusammen mit News aus der sächsischen Zivilgesellschaft, vielen Stellen und Fördertipps.
Zum Februar-Newsletter
Editorial
Liebe Engagierte,
letzte Woche fand vor dem Landgericht Dresden eine öffentliche Verhandlung gegen Neonazis statt, die im Sommer 2016 beim Dresdner Stadtfest als „kleine Bürgerwehr“ Jagd auf Menschen gemacht haben, die sie als Ausländer wahrgenommen haben. Ausgesagt haben im Prozess zwei Geflüchtete aus dem Irak, die von den Angriffen betroffen waren. Ihre physischen Verletzungen sind über drei Jahre nach dem Überfall verheilt, doch beide berichten vor Gericht, was die Angriffe bis heute für Konsequenzen für ihr Leben mit sich bringen. Ali S. berichtet, dass er eigentlich ein geselliger Mensch war. Er mochte es auszugehen und mit Freunden unterwegs zu sein. Seit Sommer 2016 ist das vorbei. Wenn es dunkel wird, dann hat er Angst und weiß nicht wie er damit umgehen soll. Er versteht nicht, warum er ohne Grund geschlagen und getreten wurde. Gruppen unbekannter Menschen im Dunkeln bereiten ihm Furcht. Nachts liegt er oft wach, verfolgt von Albträumen. Manchmal, so berichtet er, kann er bis morgens nicht schlafen, bringt dann seine Kinder in die Kita und findet danach, wenn es hell draußen ist, ein paar Stunden Schlaf.
Außerhalb der Großstädte gibt es in Sachsen nur wenige Schutzräume für Menschen wie Ali S. Räume, in denen er sich nicht fürchten muss. Weil Neonazis und Rassisten draußen bleiben müssen. Einer dieser Orte ist das Treibhaus in Döbeln. Seit etlichen Jahren können sich dort Menschen ungestört treffen und miteinander Zeit verbringen, die Rassismus, Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung ablehnen. Anstatt diese Orte als das zu begreifen, was sie sind – ein Gewinn für Sachsen – befinden wir uns in Zeiten, in denen solche Orte angegriffen, diffamiert und verleumdet werden. Die AfD hat im Kulturkonvent des Kulturraums Mittelsachsen-Erzgebirge eine Kampagne gegen das Treibhaus gestartet und war in den letzten Wochen damit beinahe erfolgreich. Anstatt sich hinter das Treibhaus zu stellen, verlangte der Vorsitzende des Kulturkonvents eine Erklärung, in welcher sich das Treibhaus von jeglichem Extremismus lossagen sollte. Antifaschistische Aufkleber und linke Plakate im Haus wurden in Augenschein genommen und mussten teilweise entfernt werden. Erst danach hat der Kulturkonvent Gelder für das Treibhaus genehmigt (vgl. die Stellungnahme des Vereins vom 20.12.2019 und die Meldung vom 29.01.2020).
Die Causa „Treibhaus Döbeln“ ist ein Beispiel für den autoritären Sog, den wir vor einem Jahr mit einer Demokratie-Tagung thematisiert haben – zusammen mit dem Kulturbüro Sachsen und dem Bildungswerk Weiterdenken. Dass das Thema dieser Tagung heute mindestens genauso aktuell ist, wie vor einem Jahr, haben die Ereignisse in den letzten Wochen eindrücklich bewiesen. Am 20. März wird die Auseinandersetzung mit der politischen Handlungsfähigkeit im autoritären Sog bei einer weiteren Tagung deshalb fortgesetzt. Gemeinsam mit euch wollen wir uns die Frage stellen, welchen Stellenwert der Zivile Ungehorsam im demokratischen Rechtsstaat in Zeiten des autoritären Sogs spielen kann. Wieviel Ungehorsam braucht die Demokratie, damit sie ebendiese bleibt? Wie können wir sie gegen autoritäre Strömungen schützen, wenn schon Antifaschismus als „extremistisch“ bezeichnet wird? Wie kann Ungehorsam aussehen, um Menschen wie Ali S. oder anderen ihr Bleiberecht in Deutschland zu ermöglichen? Kann auch in der Unterlassung, im Nicht-Tun, im Nicht-Mittun oder dem Nichtteilnehmen ein Potenzial des Handelns liegen? Was können Blockaden als Form des Zivilen Ungehorsams bringen? Diesen und anderen Fragen möchten wir uns stellen, um zu erfahren, wie wir politisch handlungsfähig bleiben, und möchten euch dazu einladen, mit uns darüber zu streiten.
Im vorliegenden Newsletter des Netzwerkes Tolerantes Sachsen präsentieren wir euch darüber hinaus wieder spannende Termine unserer Mitglieder in den nächsten Wochen. Wir stellen euch neue Mitglieder vor, haben Fördertipps und einige Stellenangebote für euch.
Wie immer freuen wir uns über Anregungen, Kritik und einen konstruktiven Streit mit euch, aber auch über Lob und Zuspruch. Viel Spaß beim Durchstöbern wünscht
Michael Nattke
Sprecher des Netzwerks Tolerantes Sachsen
PS: Zur Demokratietagung am 20. März in Leipzig direkt anmelden!
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Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.
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