TolSax Update | Newsletter November 2022

Im Editorial des #TolSax-Update November schreiben Anna Schüller und Daniela Schmohl, Sprecherinnen der sLAG – sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem NS, über die immense Bedeutung von Erinnerungsarbeit und dafür benötigte Unterstützungsstrukturen. Neben einem Sammelbeitrag zum Gedenken an die Novemberpogrome 1938 weist der Newsletter auch auf viele weitere Veranstaltungen zum Erinnern, Informieren, Vernetzen und Unterstützen hin und ist wie immer vollgepackt mit Fördertipps, Stellen, Analysen und Materialien.

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Editorial von Anna Schüller und Daniela Schmohl, sLAG

Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,

„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht…“ – und genau dabei konnten wir in den letzten Tagen zusehen. In Frankenberg wurde ein weiteres Stück NS-Geschichte entsorgt – die ehemalige Kommandantenvilla, ein wichtiger Teil des baulichen Erbes des früheren Konzentrationslagers Sachsenburg, wird abgerissen. Gegen den 2015 vom Hauptausschuss der Stadt Frankenberg gefassten Abrissbeschluss protestieren Prominente, Wissenschaftler*innen und die lokalen zivilgesellschaftlichen Vereine (YouTube-Link). In einem von der Stadt ausgerichteten Ideenwettbewerb prämierte die Jury umstrittene Arbeiten. Der Stadtrat ignorierte die Preisträger und wählte eine Arbeit aus, die vorsah das Gebäude bis zum Sockel abzureißen. Als Teil des Konzeptes für die zukünftige Gedenkstätte in Sachsenburg wurde sie vom Sächsischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Tourismus und von der Bundesbeauftragen für Kultur und Medien bestätigt. Mit Fördermitteln des Freistaates wird nun die frühere Kommandantenvilla abgerissen. Damit setzt sich die Stadt Frankenberg über alle Gespräche und Verhandlungen in den letzten Jahren hinweg. Es ist frustrierend und ein weiteres Beispiel dafür, wie die sächsische (Lokal-)Politik wissenschaftliche Expertise und bürgerschaftliches Engagement ignoriert. Dies stößt die Menschen vor den Kopf, die sich seit vielen Jahren in Sachsen für demokratische Werte und Debatten einsetzen.

Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen auf sächsischen Straßen erscheint ein solches Handeln als gefährlich, da es dazu führt, dass sich engagierte Menschen aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Mit den Lichtermärschen, Pegida und nicht zuletzt den Corona-Leugner*innen sind im Freistaat die Kontinuitäten der nationalsozialistischen Ideologie wieder sichtbar auf die Straße getragen worden und sie prägen mittlerweile die politische Diskussion in einem beängstigenden Maß. Hinzu kommen immer neue antisemitische, antiziganistische oder rassistische Angriffe auf Menschen und Unterkünfte, Angriffe auf Journalist*innen oder auf Wissenschaftler*innen – nicht ohne Versatzstücke von NS-Ideologie, der Verleugnung und Verharmlosung der Shoah sowie eine eigene Opferinszenierung. Es zeigt u.a. das Infragestellen von identitätsstiftenden Nachkriegsnarrativen („Zivilisationsbruch Auschwitz“) und stellt damit die größte Herausforderung an Bildungs- wie Erinnerungsarbeit.

Dazu gehören auch die fehlende Erinnerung und Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen gerade in den Familien im Osten. Sie berufen sich fälschlicherweise auf den „staatlichen Antifaschismus“ der DDR und negieren dabei rassistische Kontinuitäten z.B. im Umgang mit Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Es fehlt aber auch an kritischer Aufarbeitung rechter Gewalt, der rassistischen Pogrome in den 1990er und 2000er Jahren sowie den Verbrechen des NSU und seinem sächsischen Unterstützer*innennetzwerk. All das und die Würdigung der Betroffenen von rechter Gewalt müssen mehr denn je fester Bestandteil der Auseinandersetzungen in der Bildungsarbeit sein.

Dafür bedarf es Unterstützungsstrukturen wie der sLAG – einem geschichts- und erinnerungspolitischen Netzwerk mit über 100 Mitgliedern, darunter Initiativen, Vereine, Gedenkstätten aber auch Einzelpersonen. Doch auch sie ist aktuell in ihrem Fortbestand bedroht. Unser Weiterförderungsantrag durch das Programm „Weltoffenes Sachsen“ wurde abgelehnt. Damit steht das Netzwerk vor dem Aus. Kein organisierter Austausch, keine Weiterbildungen und Beratungen, die an den Bedingungen von ehrenamtlichem Engagement orientiert sind, aber auch keine Vorträge (YouTube-Link), Symposien oder Fachtage (YouTube-Link) mehr. Diese Formate leisteten einen wichtigen Beitrag für die praktische und theoretische Erinnerungsarbeit der ehrenamtlich Engagierten.

Zerstörte Erinnerung, Debatten mit gesellschaftlicher Sprengkraft, mangelnde Auseinandersetzung und unsichere Finanzierung – das Bild scheint düster. Umso wichtiger ist es, sich gegenseitig zu unterstützen. Wir sind nicht gewillt aufzugeben und werden einen Weg finden, gemeinsam Handlungsmöglichkeiten ausloten und uns den (geschichts-)politischen Herausforderungen der nächsten Monate stellen. Unterstützt uns dabei mit eurer Spende! Hier erfahrt ihr auch mehr über unsere Arbeit.

In diesem Sinne mit Dank und solidarischen Grüßen

Anna Schüller und Daniela Schmohl, sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem NS (sLAG) | sprecherinnen@slag-aus-ns.de

Die Koordination erreicht ihr unter:
Antonia | redaktion@tolerantes-sachsen.de
Annegret | koordination@tolerantes-sachsen.de | 0178 54 45 807 | 03425 82 98897
Frank | buero@tolerantes-sachsen.de | 0177 466 06 51 | 03425 82 999 59

Auf unserer Website unter Koordination erfahrt Ihr, welche Mitarbeiter_in aus der TolSax-Koordination  für welche Eurer Fragen die richtige Ansprechperson ist.

Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.


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