Engagement stärkt Demokratie – neue Studie zeigt klare Unterschiede zu Nichtengagierten
Autor_innen: Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) für Demokratieforschung an der Universität Leipzig und die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE)
Freiwillig Engagierte vertreten deutlich häufiger demokratische Werte als Menschen ohne Engagement. Das zeigt eine neue Untersuchung, die das Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) für Demokratieforschung an der Universität Leipzig und die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) gemeinsam durchgeführt haben. Grundlage ist eine Sonderauswertung der Leipziger Autoritarismus Studie (LAS). Der Bericht mit dem Titel „Engagement und politische Einstellungen: Herausforderungen und Perspektiven in einer sich wandelnden Gesellschaft“ erscheint am 26. November 2025.
Seit 2002 untersucht die von Professor Oliver Decker und Professor Elmar Brähler geleitete Studienreihe der Leipziger Autoritarismus Studien politische Einstellungen in Deutschland. Erstmals wurde im Jahr 2024 gezielt auch nach Engagement gefragt. Die Ergebnisse zeigen, dass 95 Prozent der Engagierten mit der Demokratie als Idee zufrieden sind, während dies bei den Nichtengagierten 89,5 Prozent sind. Auch in Hinblick auf die Einschätzung der praktischen Umsetzung der Demokratie zeigen sich Unterschiede: 46,7 Prozent der Engagierten sind mit der Demokratiepraxis zufrieden, bei den Nichtengagierten sind es 41,4 Prozent. Einen besonders deutlichen Unterschied gibt es beim Gefühl politischer Wirksamkeit: Während 74,6 Prozent der Nichtengagierten der Aussage zustimmen, ohnehin keinen Einfluss auf die Regierung zu haben, sind es unter den Engagierten nur 58,1 Prozent. „Das Erleben eigener Handlungsfähigkeit kann der Politikverdrossenheit entgegenwirken“, sagt Studienleiter Professor Oliver Decker. Staatsministerin für Sport und Ehrenamt Dr. Christiane Schenderlein, welche die Arbeit der Bundesstiftung DSEE fördert und begleitet, sagt dazu: „Bürgerschaftliches Engagement bleibt auch in Zeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen ein tragendes Fundament unserer Demokratie. Mit dem Zukunftspakt Ehrenamt stärken wir diesen Beitrag zum Gemeinwohl gezielt und nachhaltig.“
Die Studie untersucht neben Fragen zur Demokratie unterschiedliche Einstellungen. Ein wichtiger Befund: Auch rechtsextreme Einstellungen sind unter Engagierten seltener verbreitet. Besonders deutlich wird das bei der Zustimmung zu Aussagen der sogenannten Neo-NS-Ideologie: Nur zwölf Prozent der freiwillig Engagierten halten eine Diktatur unter bestimmten Umständen für die bessere Staatsform, während dies bei den Nichtengagierten 20,7 Prozent tun. Ob demokratische Einstellungen zum Engagement führen oder das Engagement selbst demokratische Haltungen stärkt, bleibt offen. Jedoch meint Hannah Hoffmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am EFBI und Co-Autorin des Berichts: „Ehrenamt und Engagement können als demokratiefördernde Grunderfahrung gesehen werden.“ Staatsministerin Schenderlein ergänzt: „Besorgniserregend ist jedoch, dass selbst unter grundsätzlich demokratisch gesinnten Engagierten mitunter gruppenbezogene Ressentiments bestehen. Demokratie ist eine Werteentscheidung – sie gründet auf Menschenwürde, Gleichheit und Respekt. Deshalb gilt: Engagement muss nicht nur gefördert, sondern durch Stärkung der Angebote für Engagierte und verlässliche Rahmenbedingungen auch vor Extremismus, Ausgrenzung und Missbrauch geschützt werden.“
Forscher machen drei Typen von Engagierten aus
Die Forschenden identifizieren im Bericht drei Typen von Engagierten: den resilient-demokratischen, den fragil-demokratischen und den rechtsautoritären Typus. Der resilient-demokratische Typus zeigt eine besonders starke Ausprägung demokratischer Werte, ist häufiger weiblich und lebt eher in Städten. Darüber hinaus ist dieser Typ etwas stärker in Westdeutschland als in Ostdeutschland vertreten. Der fragil-demokratische Typus zeigt eine gewisse Offenheit für antidemokratische Narrative. Aussagen, die auf eine Neo-NS-Ideologie hinweisen, lehnt er jedoch klar ab. Der rechtsautoritäre Typus lehnt derartige Aussagen dagegen nicht immer ab. Er stimmt ausgeprägt ethnozentrischen Einstellungen öfter zu, ist zu 60 Prozent männlich und weist deutlich Ressentiments und autoritäre Aggressionen auf.
Zum Abschluss formuliert der Bericht konkrete Handlungsempfehlungen für politische Akteure, Förderer und zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Forschenden betonen, dass finanzielle Unterstützung und eine vielfältige Förderlandschaft entscheidend für stabile Engagementstrukturen sind. Dabei sollten auch informelle Engagementformen außerhalb klassischer Vereine stärker berücksichtigt werden. „Engagement und zivilgesellschaftliche Organisationen sind auf stabile Finanzierungen angewiesen“, betont Oliver Decker. Für die Demokratie könne es sich lohnen, denn die Autoren sehen in Engagement und Ehrenamt einen Gewinn für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Die konsequente Förderung und Wertschätzung von Engagement kann zur Stärkung von Demokratie beitragen“, so Hannah Hoffmann.
Zur Methode
Die Leipziger Autoritarismus Studie (LAS) wird seit 2002 regelmäßig durchgeführt und erfasst die Einstellungen der Bevölkerung zu autoritären und demokratiefeindlichen Tendenzen. Befragt wurden für die repräsentative Stichprobe von Ende März bis Mitte Juni 2024 2.500 Menschen. Diese werden von den Interviewern zuhause aufgesucht. Die Befragten bekommen den Fragebogen mit den politischen Einstellungsfragebögen ausgehändigt. Um die politischen Einstellungen der Engagierten – auch im Vergleich zu Personen, die sich nicht engagieren (sogenannte Nichtengagierte) – zu untersuchen, wurden in die LAS 2024 eine Reihe detaillierter Fragen zum Engagement aufgenommen. Im Kontext der vorliegenden Sekundärauswertung gaben 430 Probandinnen und Probanden an, sich freiwillig zu engagieren.
Zu den Autoren
Prof. Dr. Oliver Decker ist Sozialpsychologe und Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts. Er leitet zusammen mit Prof. Dr. Elmar Brähler seit 2002 die Leipziger Autoritarismus Studien.
Hannah Hoffmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Else-Frenkel-Brunswik-Institut.
Dr. Vivian Schachler, promovierte Psychologin, ist seit Oktober 2021 Referentin für Forschung und Wissenstransfer in der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
Dr. Julia Schlicht promovierte im Bereich Zivilgesellschaftsforschung und ist seit Juli 2021 Referentin für Forschung und Wissenstransfer in der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
Kontakt
Kontakt zu den Studienautoren gibt es auf Anfrage unter:
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Autorin: Pia Siemer

