Equal Pay Day | Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte sind noch kein Teil der Gleichstellung

Autor_innen: DaMigra

Pressemitteilung vom 7. März 2022

Frauen arbeiten für 18% weniger Lohn in Deutschland. Für das Jahr 2021 bedeutete das konkret: Frauen erhielten mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Stundenverdienst als Männer (23,20 Euro)[i]. Der Equal Pay Day thematisiert diese Lohnungleichheit, berücksichtigt aber keine zusätzlichen Diskriminierungsformen.

Migrantische und geflüchtete Frauen zahlen bei der Lohnungleichheit den doppelten Preis dafür, sowohl Frau als auch Migrantin oder geflüchtet zu sein. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat bereits 2008 festgestellt, dass zwischen ausländischen und deutschen Frauen eine Lohnlücke von 20% liegt[ii]. Die Gründe sind vielseitig und strukturell.

Zur Migration Pay Gap gibt es zu wenig empirische Forschung, allerdings wissen wir aus eigener Erfahrung und der Rückmeldung vieler Frauen, wie stark Diskriminierung und Lohnungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt für Migrantinnen sind. Wir wissen, dass viel mehr migrantische Frauen als Männer arbeitslos oder wenn, dann prekär beschäftigt sind – in Teilzeit, in der Pflege. Wir wissen, dass Migrantinnen unterqualifizierte Jobs angeboten bekommen oder sie bei gleicher Qualifikation auch nach Jahren im deutschen Arbeitsmarkt schlechter bezahlt werden, als deutsche Kolleginnen. Während alle Frauen unbezahlte Sorgearbeit für ihre Familien und Communities leisten, arbeiten Migrantinnen oft in transnationalen Care-Ketten, die ökonomisch stärkere Familien im Pflege- und Gesundheitswesen entlasten, aber Migrantinnen aus ihren eigenen Familien reißen und im Prekariat halten.

Die verzweifelte Lage vieler Ukrainerinnen, die gerade bangend an der Grenze auf ihre von den Großeltern oder anderen Menschen in den Bus gesetzten Kinder warten, die alleine die Flucht angetreten sind, ist das Produkt dieser transnationalen Care-Ketten, die wir seit Jahren kritisieren. Ukrainerinnen arbeiten in Polen als 24h-Hilfen, während Polinnen wiederum in Deutschland solche Jobs machen. Sie alle lassen ihre Kinder zurück, werden oft nicht fair bezahlt oder versichert, haben kaum Altersvorsorgen oder realen Gewaltschutz.

Die Geschäftsführerin von DaMigra Dr. Delal Atmaca kommentiert:

„Wenn Gleichstellung bedeutet, dass die ungewollte Care-Arbeit der einen in die prekäre Arbeitsmigration der anderen Frau verlagert wird, müssen wir darüber sprechen, auf wessen Kosten diese Gleichstellung funktioniert. Eine intersektionale Perspektive deckt diese Abhängigkeiten auf.“

Der Leitspruch des Equal Pay Day 2022 ist „Gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt“. Digitalisierung bedeutet nicht nur Fortschritt, sondern auch Ausschluss und rassistische und sexistische Algorithmen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass ohne angemessene finanzielle und technische Mittel, viele Maßnahmen für viele Frauen eher eine Belastung als eine Erleichterung darstellen. Die nationale Gleichstellungsstrategie von 2020 muss daran gemessen werden, ob sie alle Frauen mitdenkt. Wer Equal Pay gesamtgesellschaftlich ernst nehmen will, muss dafür sorgen, dass ALLE Menschen, unabhängig von Aufenthaltsstatus, Nationalität, Gender, sozialer Herkunft, Sexualität und Behinderung, Zugänge zu Weiterbildungen und Branchen, wie dem IT-Sektor haben. Das heißt, dass Personalauswahl, Kreditfinanzierung oder Gehalt sich nicht an rassistischen und sexistischen Algorithmen orientieren. Diese Algorithmen schließen Frauen und nicht-binäre Menschen von vornherein aus. Sie müssen unabhängig von Aufenthaltsstatus, Nationalität, Geschlecht, sozialer Herkunft, Sexualität und Behinderung gestaltet werden. Arbeitsprozesse sollten zukunftsorientiert und für die gesamte Gesellschaft gestaltet sein und Kompetenzen und Qualifikationen müssen auch in der digitalen Arbeitswelt fair bezahlt werden.

Wir fordern als DaMigra e.V. die gesamtgesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen und geflüchteten Frauen am Arbeitsmarkt mit fairer Bezahlung. Es braucht außerdem eine transparente Datenerhebung, damit sich die spezifische Diskriminierung von Migrantinnen in Deutschland überhaupt erkennen und bekämpfen lässt. Wenn Migrantinnen und geflüchtete Frauen angemessen bezahlt und behandelt werden, werden alle Menschen in dieser Gesellschaft würdig behandelt.

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[i] Gender Pay Gap 2021: Frauen verdienten pro Stunde weiterhin 18 % weniger als Männer – Statistisches Bundesamt (destatis.de)

[ii] https://www.zew.de/publikationen/the-immigrant-wage-gap-in-germany


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Redaktion TolSax

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