Gemeinsame Pressemitteilung der Bands Dr. Ulrich Undeutsch, east german beauties, Endstation Chaos und One Step Ahead zum Anerkenntnisurteil

Gemeinsame Pressemitteilung der Bands Dr. Ulrich Undeutsch, east german beauties, Endstation Chaos und One Step Ahead vom 13.November 2019 (facebook)

Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat uns – den Bands Dr. Ulrich Undeutsch, east german beauties, Endstation Chaos und One Step Ahead – in vier nunmehr vorliegenden Anerkenntnisurteilen vollumfänglich dahingehend Recht gegeben, dass die seitens des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) erfolgte Nennung unserer Bands im Verfassungsschutzbericht 2018 sowie in der „Übersicht linkextremistischer Bands in Sachsen“ rechtswidrig war und zu entfernen ist. Den Urteilen ging voraus, dass das LfV die Rechtswidrigkeit seines Handelns und damit unsere geltend gemachten Ansprüche anerkannt hat.

Der uns vertretende Rechtsanwalt Raik Höfler hierzu: „Die Anerkenntnisse zeigen, dass hier Bands offenbar willkürlich als linkextremistisch bezeichnet wurden, ohne dass dem Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz Belege für diese Behauptungen vorlagen.“

Der Verfassungsschutz erkennt also an, dass die Nennung unserer Bands rechtswidrig war, womit er mündlichen Verhandlungen vor Gericht aus dem Weg geht. Außerdem konnte die vorläufige Fassung des Berichtes bisher nicht offiziell veröffentlicht werden. Scheinbar um weiteren Verfahren aus dem Weg zu gehen, hat der Verfassungsschutz nun die komplette Tabelle, in der Bands unter „Linksextremistische Musikszene“ geführt wurden, entfernt. Es heißt nun lediglich es gäbe 11 Bands unter dieser Rubrik in Sachsen. Um welche 11 Bands es sich hierbei handeln soll, lässt die aktuelle Version des Berichtes – mit Ausnahme der Band Fontanelle – im Dunkeln.

Karli, Sänger der Band Dr. Ulrich Undeutsch, hierzu: „Leichtfertig haben sich in naher Vergangenheit Städte und Gemeinden dazu hinreißen lassen die Diskreditierung und Kriminalisierung des Verfassungsschutzes ungefragt zu übernehmen, ohne dabei auch nur kurz zu reflektieren, ob von den in marginalisierten Szeneläden auftretenden Bands wirklich ein Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen kann. Es kann ebenso als ein populistisches Zusammenwirken verstanden werden, den letzten Einrichtungen, welche Platz schaffen für subkulturelle Angebote, die nicht aus dem Nazispektrum kommen, das Leben schwer zu machen mit Bauamtsprüfungen, Polizeipräsenz vor Ort, Auftrittsverboten oder ganz abgesagten Veranstaltungen. Polizei und VS befassen sich offenbar lieber mit Einschränkungen der Kunstfreiheit, während sie ahnungslos einer militanten Neonaziszene zusehen.“

Wir fordern, dass dieses innenpolitische Debakel Konsequenzen nach sich zieht.

Gordian Meyer-Plath ist als Präsident für das Landesamt für Verfassungsschutz nach wie vor untragbar, da er sich nicht von seiner rechten Burschenschaft Marchia lossagen kann und maßgeblichen Anteil an der Verschleierung der Morde des NSU hat. Dass unter seiner Regie überhaupt erstmals das Themenfeld „Linksextremistische Musikszene“ aufgemacht wurde, ist ebenfalls kein Zufall. Zu seiner Zeit im brandenburgischen Verfassungsschutz gab es die Kategorie „Extremistische Hass- Musik mit linksextremistischen Bezügen“. Seit Mitte des Jahres 2012 arbeitet er für den sächsischen Verfassungsschutz. Ab dem Jahr 2013 gab es in den brandenburgischen Berichten diese Rubrik nicht mehr, allerdings wurde eben in diesem Jahr unter „Ausblicke zum Linksextremismus“ erstmals in den sächsischen Berichten „Linksextremismus und Musik“ zum Thema gemacht. Egal ob Elektropop oder Punkmusik, es ist Herrn Meyer-Plath offenbar eine Herzensangelegenheit, alternative Jugendkulturen zu kriminalisieren, welche durch die kleinen Anfragen von der AfD zu „Aktivitäten und Straftaten der extremen Linken in Sachsen“ wohl nochmals befeuert wurde und veranlasst hat, das Beobachtungsobjekt „Linksextremistische Musikszene“ ganz groß aufzuziehen. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich hierbei nicht wirklich um eine parteiunabhängige und objektive Beurteilung handelt. Die Urteile des VG Dresden stellen klar, dass diese Bestrebungen rechtswidrig sind.

Die east german beauties (egb) verurteilen die Einflussnahme des Freistaates Sachsen und der Landkreise auf das Programm von Kulturveranstaltungen unter Vorschub offensichtlich falscher Gründe und möchten festhalten: „Solche Aktionen haben in einem Land, welches sich eine sogenannte Freiheitlich-Demokratische Grundordnung auf die Fahnen schreibt, nichts zu suchen und sind vielmehr ein Zeichen dafür, wie schlecht es um die Demokratisierung der staatlichen Institutionen in Sachsen auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR immer noch bestellt ist. Desweiteren fordern die egb eine öffentliche Entschuldigung des Landesamtes für Verfassungsschutz für die getätigten falschen Behauptungen und die undemokratischen Angriffe auf Kulturveranstaltungen gerade im ländlichen Raum.“

Die Gesellschaft muss bereit sein, einen Diskurs mit neuen Ansätzen auszuhalten. Die Hufeisenlogik, linke und rechte Gedanken und Positionen gleichzusetzen, schützt die Demokratie nicht, sondern steht einer weiteren Emanzipierung im Weg. Dem Verfassungsschutz fehlt es an fachlicher Kompetenz, um seiner Deutungshoheit gerecht zu werden. Menschen mit dem Stempel linksextrem einfach aus politischen Debatten auszuschließen, weil sie über Alternativen zu den bestehenden Verhältnissen nachdenken und sie obendrein mit Repressionen zu überziehen, führt zu einer Resignation der politischen Streitkultur. Die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ klopft sich dabei gegenseitig auf die Schulter und gesellschaftlich marginalisierte Gruppen werden weiter unterdrückt. Deshalb halten wir es für angebracht an dieser Stelle die Auflösung des Verfassungsschutzes zu thematisieren, da er seine Befugnisse eher missbraucht und eher antidemokratische Tendenzen aufzeigt.

Zu guter Letzt möchten wir uns noch mit der Band Fontanelle solidarisieren, über die aktuell sehr ausführlich berichtet wird, nur damit der VS weiter willkürlich ein Beobachtungsobjekt führen kann, obwohl sie sich die Rechtswidrigkeit gerade erst eingestanden haben.

Redaktion TolSax

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