Pressemitteilungen zum Umgang des Landratsamtes mit der Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ sowie Bekanntgabe eines neuen Ausstellungortes

Autor_innen: AG Asylsuchende und AKuBiZ e.V., Solidarisches Pirna

Neuer Ausstellungsort: Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ in Pirnaer Klosterkirche

Von 25. September bis 10. Oktober 2024 ist in der Pirnaer Klosterkirche die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ zu sehen. Diese sollte eigentlich im Rahmen der Interkulturellen Woche im Landratsamt gezeigt werden. Mit Verweis auf Polarisierung und Beschwerden wurde diese allerdings nach kurzer Zeit wieder abgebaut, was in Stadt, Kreis und sogar deutschlandweit für heftige Kritik sorgte. Die Pfarrei St. Heinrich und Kunigunde Pirna hat sich entschieden, die Ausstellung nun in der Klosterkirche St. Heinrich in Pirna zu zeigen. Dies wurde von Pfarrer Brendler organisiert und von den Gremien der Pfarrei sowie der Stadtökumene Pirna ausdrücklich gewünscht.

Uns ist bewusst, dass das Thema Migration derzeit sehr aufgeladen verhandelt wird, offene Fragen hat und leider auch stark instrumentalisiert wird, oft auf dem Rücken der geflüchteten Menschen selbst. Gerade deshalb halten wir es für absolut notwendig, diese selbst zu Wort kommen zu lassen. Eine ausführliche Begründung unserer Entscheidung hat Pfr. Brendler verfasst. Diese finden Sie am Seitenende als .pdf.

Wir laden Sie herzlich ein, die Ausstellung zu besuchen und sich selbst ein Bild zu machen. Für die Ausstellung verlängern wir die sommerliche Öffnung der Klosterkirche bis 10. Oktober. Sie ist offen zu folgenden Zeiten:

wochentags ab 26.9. immer 10.30 bis 12.30 Uhr sowie 14.00 bis 16.00 Uhr

sonntags ab ca. 9.45 bis 12.00 Uhr, wobei hier 10.15 bis ca. 11.15 Uhr Gottesdienst ist. In dieser Zeit würden wir um Stille bei der Besichtigung bitten.

Ausstellungseröffnung in der Klosterkirche: Mittwoch 25.9. 18.00 Uhr.

Ein praktischer Hinweis noch: Die Kirche wird ausschließlich mit ehrenamtlichen Engagement offen gehalten. Sollte es hier aufgrund von Erkrankung o.Ä. Lücken im Aufsichtplan geben, nehmen Sie es uns bitte nicht übel und kommen Sie gern zu einer anderen Zeit wieder.

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Gemeinsame Pressemitteilung der AG Asylsuchende und des AKuBiZ e.V.

Unmut an der falschen Stelle – Zum Umgang des Landratsamtes mit der Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“

Mit Entsetzen haben wir von den Vorgängen im Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge rund um die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ gehört. Zum Ablauf der Vorgänge verweisen wir auf die Artikel in der Presse und möchten uns hier zur Wort melden, um unsere Kritik öffentlich zu machen.

Aus dem Landratsamt heißt es, die Aussagen in der Ausstellung wären von Brisanz und hätten für Unmut gesorgt. Wir sagen: ja! Sie sind von Brisanz und ja, sie können ruhig für Unmut sorgen. Aber nicht, weil durch sie eine vermeintliche Undankbarkeit transportiert wird, sondern weil sie die echte Lebensrealität von Geflüchteten widerspiegelt, ihre Verzweiflung mit dem deutschen Behördensystem und dem andauernden Alltagsrassismus. Das ist das, was unserer Meinung nach skandalisiert werden müsste!

Wir können uns den Unmut, der zum Abbau der Ausstellung geführt hat, nur so erklären: die Ausstellung ist ein Spiegel, der der deutschen Mehrheitsgesellschaft entgegen gehalten wird. Es zeigt sich, dass wir uns alle damit konfrontieren müssen, wie wir mit Schutzsuchenden umgehen und welche Hürden ihnen in den Weg gelegt werden. Wer bei den Zitaten Unverständnis verspürt, fühlt sich offenbar angegriffen – zurecht!

Was ist eigentlich mit der vielbeschworenen Meinungsfreiheit? So wie wir das Handeln des Landratsamtes interpretieren, wird diese Geflüchteten wohl weniger zugestanden. Sie dürfen sich nur dann äußern, wenn es in das Bild passt. Wir solidarisieren uns mit den Menschen, die in der Ausstellung ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck gebracht haben. Wir solidarisieren uns mit allen, die Kritik üben an der Situation von Schutzsuchenden.

Zudem wollen wir uns ganz klar mit der Integrationsbeauftragten des Landkreises solidarisieren. Sie hat keinen Fehler gemacht, sondern das, was auch ihre Rolle ist: zum Verständnis der Lebensbedingungen von Geflüchteten beitragen. Wir können nicht nachvollziehen, wie sie nun vorgeschoben wird, weil die Inhalte der Ausstellung über den Horizont einiger Besucher*innen hinaus gehen.

Der Landrat meint, im Sinne der Pirnaer Bürger*innen zu sprechen, wenn er bei einigen wenigen lautstarken Beschwerden (die Ausstellung hing nur wenige Stunden) sofort einknickt. Viele Pirnaer*innen haben die rechtsextreme AfD gewählt, viele Parteien folgen inhaltlich der AfD. Aber es gibt genug Menschen, die anderer Meinung sind, die sich für demokratische Vielfalt einsetzten und die Ausstellung gerne gesehen und darüber – auch kontrovers – diskutiert hätten.

Bei lautstarker rechter Hetze können wir nicht konflitkscheu und ruhig bleiben.

Foto: https://www.esistnichtleise.de

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Pressemitteilung des Bündnis Solidarisches Pirna

Zum Skandal im Landratsamt Pirna rund um die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf„: Demokratie muss kontrovers sein

Im Landratsamt ist vorerst einmal die Entscheidung gefallen: Die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf.“ darf nicht in den Räumen des Landratsamtes während der Interkulturellen Wochen in Pirna gezeigt werden. Nach nur wenigen Stunden wurde sie am 12.09.2024 wieder abgehängt. 

Der Termin für die feierliche Vernissage zur Präsentation der 37 Exponate, die ohne Rücksprache mit den Eigentümern der Ausstellung eigenmächtig wieder abgenommen wurden, wäre eigentlich Mittwoch, 25.09.24. 18 Uhr. Veröffentlichter Grund für die überraschende Entscheidung: Beschwerden von Mitarbeiter*innen im Landratsamt und zufälligen Besucher*innen; als Gründe seien vorgebracht worden: Polarisierung und Emotionalisierung unter den Betrachter*innen.

Die Ausstellung ist u. a. schon in der Chemnitzer Arbeitsagentur oder im Sächsischen Landtag neben vielen Angeboten in Kirchen und Schulen präsentiert worden. Ohne öffentlichen Aufruhr, soweit man weiß, sondern mit viel Zustimmung, wie die Initiatoren, das Ehepaar Lobeck aus Schwarzenberg, versichern. „Warum konnten und durften sich die Besucher*innen nicht mit den bebilderten Geschichten von 35 aus Afghanistan, Syrien oder afrikanischen Ländern Geflüchteten beschäftigen, sie auf sich wirken lassen und sich ein eigenes Urteil bilden?“ empört sich Ina Richter (Kreisrätin der Linken).  „Wieso schlagen die Uhren in Pirna anders, und es entscheidet das Landratsamt über die Inhalte an politischer Bildung der hiesigen Bevölkerung?“, unterstützt sie Dieter Wiebusch (Bündnis 90 / Die Grünen Pirna) in ihrem Protest.

In Pirna sollte die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ im Foyer des Landratsamtes gezeigt werden. Die Ausstellung hat der Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg konzipiert und zeigt, wie und warum Menschen aus ihren Ländern fliehen, wie ihre Flucht sowie ihre Asylverfahren und ihr Ankommen in Deutschland erfolgten. „Bilder und Stimmen von geflüchteten Menschen gehören zu den wenigen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, die diese überhaupt haben. Die Ausstellung wäre ein sehr guter Ansatzpunkt zum Verstehen und Handeln gewesen“, mutmaßt Matthias von der Baristagruppe Pirna. 

Christina Riebesecker weiß von der Arbeit in der AG Asylsuchende Pirna, dass „die Ausstellung deshalb gut geeignet ist, weil geflüchtete Menschen darin über ihre individuellen Erfahrungen im deutschen Asylsystem berichten, die eben ambivalent sind, geprägt von strukturellen und alltäglichen Rassismus sowie von Hilfsbereitschaft und Offenheit. Diese Perspektiven sind wichtig und müssen gehört und gesehen werden.“

Es ist die Würde von Menschen und ihre Verletzlichkeit, die in den Exponaten veranschaulicht wird. Es sind Abschiedsschmerz, Strapazen, Entbehrungen, Gefährdungen und Ausgrenzungen, aber auch Freude, es geschafft zu haben und in Deutschland gut aufgehoben zu sein, die Stimmen und Bilder in die Köpfe der Menschen eingeprägt haben. Die vier Pirnaer*innen stimmen darin überein, dass dies das Mindeste sei, was wir gewähren müssen: Durch Erzählen in unserer Sprache Traumata verarbeiten können. Sie fordern: „Der Landrat darf nicht vor den Beschwerden von Bürger*innen und Befindlichkeiten von Mitarbeiter*innen einknicken.“ Diese können / könnten sich jederzeit abwenden, wenn es ihnen zu schwer ums Herz wird. Dieter Wiebusch ergänzt: „Diese Bürger*innen hätten auch die Gelegenheit, offen in der geplanten Vernissage über ihre Positionen zu diskutieren. Herr Geisler muss zulassen, dass Bürger*innen in der Stadt Pirna und Umgebung die andere Perspektive zu Vertreibung und Flucht von Menschen sowie der Integration in ihrem Land mit eigenen Augen wahrnehmen und sich als selbstbestimmte Bürger*innen positionieren können.“ 

Das Bündnis Solidarisches Pirna, dem die vier angehören, kritisiert die Entscheidung des Landratsamtes/Landrates in aller Schärfe und fordert, dass die Ausstellung wie geplant stattfindet. Alles andere wäre eine Schande für unsere Region. Kritisch wird angefragt: „Oder misstraut in Pirna jemand der Urteilsfähigkeit mündiger Bürger*innen?“

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Alternatives Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKuBiZ)

Wir sind ein antifaschistischer Bildungsverein aus Pirna. Im Mittelpunkt unserer Vereinsarbeit steht die Beschäftigung mit lokaler Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus. Wir setzen uns mit den Themen Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus auseinander. Für uns hören diese Themen nicht bei extrem rechten Parteien oder Gruppen auf, sondern wir betrachten diese als in der Mitte der Gesellschaft verankert bzw. aus der Mitte genährt. Zu diesen Themen laden wir für Vorträge, Seminare und Workshops Referent*innen ein oder referieren selbst zu einigen Themen. Weiterhin organisieren wir Wanderungen, Ausstellungen, Buchlesungen oder kleinere Konzerte. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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