Analyse: Rechtsextreme und Verschwörungsideologen nutzen den Krieg in der Ukraine für sich

Autor_innen: Amadeu Antonio Stiftung

Mit dem Krieg der russischen Regierung unter Wladimir Putin gegen die Ukraine geht eine immense Informationsflut einher. Online ist es bisweilen schwer, die politische Motivation hinter Desinformationen zu erkennen – zumal die rechtsextreme Szene selbst noch ihre Positionen sucht, um den Krieg in ihr Weltbild zu integrieren. Welche Gefahr von den Narrativen ausgeht, die rechts-alternative Szenen gerade online verbreiten, soll dieses Analyse-Papier (PDF-Download hier) des Monitoring-Projektes de:hate der Amadeu Antonio Stiftung zeigen – ergänzt um Handlungsempfehlungen aus dem Projekt “debunk – Verschwörungs-theoretischem Antisemitismus entgegentreten”.

Rechtsextreme Akteur:innen in Deutschland deuten die eskalierenden Entwicklungen in der Ukraine zu ihren Gunsten und versuchen, die Kriegsgeschehnisse in ihr verschwörungsideologisches Weltbild einzupflegen. Das Projekt de:hate der Amadeu Antonio Stiftung hat derzeit gängige Narrative der unterschiedlichen Rechtsaußen-Szenen in Deutschland gesammelt. Deutlich sticht eine Geschlossenheit der Szene(n) im Hinblick auf den rassistischen Diskurs über Geflüchtete hervor, wohingegen die Positionierung aufseiten Putins oder der Ukraine eine Spaltung hervorzurufen scheint. Die Verschwörungsideolog:innen etwa aus der “Querdenken-Szene” nutzen seit jeher Kreml-treue Medien. Auch jetzt verbreiten sie Putins Desinformationen und unterstützen so seinen Informationskrieg. Die Neonazi-Szene sieht dagegen die einmalige Chance, den Mythos nationalsozialistischer Befreiungskämpfe durch die Unterstützung der Kämpfe auf Seiten der Ukraine aufleben zu lassen.

Narrativ 1 : Der Krieg sei Teil einer imaginierten jüdischen Weltverschwörung

Nach wie vor besteht das Weltbild vieler Rechtsextremer und Verschwörungsideolog:innen aus dem antisemitischen Schüren von Angst vor einer angeblichen globalen Elite, die sich gegen „das Volk” verschworen hätte. Diese klassische antisemitische Verschwörungserzählung wird von der extremen Rechten nun auf den Krieg projiziert, um damit Hass auf Jüdinnen:Juden zu nähren. Deutsche Neonazis wie Tommy Frenck verbreiten antisemitische Share-Pics, die den russischen Staatspräsidenten Putin als Juden neben dem jüdischen Staatspräsidenten Selenskyj abbilden. Der Vorteil für Neonazis: Sie müssen sich nicht für eine Seite entscheiden, sondern verbreiten ihr angestammtes Feindbild. Mit der Bildunterschrift: „Weder das russische noch das ukrainische Volk sind unsere Feinde!” werden Jüdinnen:Juden für das Übel des Krieges verantwortlich gemacht – wahnhaft unabhängig von der Realität. Etwas indirekter drückt es das österreichische Desinformations-”Medium” „AUF1” aus. Es schreibt auf Telegram: „Die Ukraine-Krise scheint genau in den Plan der Globalisten zu passen”, und erreicht mit dem Post über 300.000 Aufrufe. Auch der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke, teilt „AUF1”-Inhalte, in denen formuliert wird, der Krieg sei „von den Globalisten von langer Hand geplant” worden.

Was das für ein Plan sein könnte, konkretisiert der Verschwörungsideologe Bodo Schiffmann. Er glaubt, dass die Pandemie nun durch den Krieg abgelöst werde, um das eigentliche Ziel zu verschleiern: den „Great Reset”. So werden die Corona-Pandemie ebenso wie der Krieg gegen Ukraine zu Instrumenten geheimer, jüdisch konnotierter Strippenzieher, um einen „Great Reset” verwirklichen zu können, also eine Neuordnung der Welt mit nur für die Verschwörer.innen hilfreichen Zielen gegen den Willen “des Volkes” oder “der Völker”. Während der Pandemie seien Ungeimpfte isoliert worden, um die Gesellschaft zu spalten. Nun solle der Krieg Russ:innen isolieren und zu einer weiteren Spaltung beitragen. Warum? Es solle ein „offener Krieg” auf der ganzen Welt ausbrechen, um eine „Reduzierung der Menschheit” zu erwirken. Auch Schiffmann glaubt daran. In einer Videobotschaft spricht er davon, dass auch von einem eventuellen Atomkrieg nur die Menschen profitieren würden, die „glauben, dass 90 Prozent der Menschen überflüssig sind”.

Mehr zum Thema Antisemitismus und Verschwörungsdenken gibt es hier.

Narrativ 2: ‚Herrschende wollen mit Krieg von Corona ablenken‘

Teile der rechts-alternativen Szene vermuten auch, dass der Russland-Ukraine-Krieg kein Krieg, sondern vor allem ein Ablenkungsmanöver ist, das “Herrschende” – etwa Regierungen mithilfe der Presse – inszeniert hätten. Die Berichterstattung der faktenbasierten, nach journalistischen Kriterien arbeitenden Medien über den Krieg wird in verschwörungsideologischen Kreisen als „Panikmache” eben jener vermeintlichen Mächte in der Bevölkerung gesehen. Das Ziel sei dabei, von der eigentlichen „Wahrheit” hinter der Pandemie abzulenken – nämlich, dass es die Pandemie gar nicht gäbe. Als Beweis wird dabei auf die großen Demonstrationen in Solidarität mit der Ukraine verwiesen, die ja problemlos hätten stattfinden dürfen, während  die Proteste der eigenen Szene gegen die Anti-Corona-Maßnahmen gleichzeitig kriminalisiert würden. Dass diese Proteste allerdings ebenfalls stattfinden, obwohl sie sich nicht an Regeln halten, wird nicht erwähnt).

Misstrauen rechtsaußen erweckt auch, dass nun der Krieg und nicht mehr die Corona-Pandemie die Schlagzeilen beherrscht. Das rechtsextreme Compact-Magazin sieht das „Corona-Narrativ” kurz vor seinem Zusammenbruch, weshalb nun „die Angst vor dem Dritten Weltkrieg für neue Anbindung an die Macht-Eliten” sorgen solle. Beides lässt sich auch kombinieren: So kursiert auch die Erzählung, es gäbe in Ukraine Biolabore, die Krankheiten gegen die Bevölkerung herstellen würden – und der Krieg hätte den Zweck, diese Labore zu zerstören. Der Faktencheck der Tagesschau  hat die vermeintliche Recherche einer bulgarischen Journalistin, auf die sich die Meldungen berufen, bereits überprüft und als unglaubwürdig widerlegt. Vor allem im Umfeld der sogenannten „Querdenken”-Szene auf Telegram wird diese Erzählung aber weiter verbreitet und sie wird von Russland-eigenen Medien wie RT Deutsch oder Kreml-treuen Onlineseiten wie „Anti-Spiegel” gestreut.

Reichweitenstarke Akteur:innen innerhalb der verschwörungsideologischen Szene greifen die Erzählung auf, um russische Angriffe zu rechtfertigen. Der russische Einmarsch wird vor diesem Hintergrund als Befreiungsaktion gewertet. Dazu gehören der Anwalt Markus Haintz oder auch die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman. In der verschwörungsideologischen Szene der sogenannten „QAnon”-Bewegung wird zudem die Erzählung verbreitet, dass Putin unter der Führung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump mit dem Krieg einen organisierten Ring zum Kinderhandel sprengen wolle.

Narrativ 3: Der Wunsch nach einem nationalsozialistischen Befreiungskrieg

Im Verteidigungskrieg gegen Russland kämpfen auch Freiwilligen-Bataillone. Eines davon ist Asow, eine rechtsextreme Miliz. Asow ist Heimat für zutiefst antidemokratische Akteur:innen und Neonazis. Das Ziel der Miliz ist die Errichtung eines ultranationalistischen Staates Ukraine mit einer klaren rassistischen und antisemitischen Vorstellung, wer dazugehört (vgl. Belltower.News). Damit richtet sich ihr Kampf in erster Linie gegen Russland, aber in zweiter Linie auch gegen die ukrainische Regierung mit ihrem jüdischen Präsidenten. Bei Asow handelt es sich um eine prominente Gruppe, die aber im Verhältnis im ukrainischen Militär eine deutliche Minderheit darstellt. Trotzdem wird in der russischen Propaganda dieses Regiment oft stellvertretend für die gesamten ukrainischen Kämpfer:innen angesehen, um mit der Begründung einer „Entnazifizierung” den Krieg zu rechtfertigen.


Asow erhält allerdings nicht nur von russischer Seite viel Aufmerksamkeit. Seit Jahren versuchen auch deutsche Neonazis, bei der rechtsextremen Miliz eine militärische Ausbildung zu erhalten. Mit Beginn des Krieges sieht die Szene die Möglichkeit eines bewaffneten, nationalsozialistischen Befreiungskampfes gekommen.

Dementsprechend fallen auch die Reaktionen in Sozialen Medien aus: Der ehemalige NPD-Politiker Tobias Schulz alias Baldur Landogart hat sehr gute Kontakte zu Asow und war während seiner Reisen dort immer wieder zu Gast. Mit Verweis auf ein Video zu der Miliz schreibt er: „Wer an Stelle von einem 1000ten Corona-Spaziergang einmal an einem richtigen Kampf teilnehmen möchte, kann sich melden”.

Im Krieg wirbt Asow vor allem auf Englisch über zahlreiche Kanäle um weitere Freiwillige. Das Neonazi-Musikfanzine „Frontmagazin” schreibt, ihre Solidarität gelte “den tapferen Soldaten des Asow Regiments und allen anderen tapferen Männern und Kampfeinheiten die ihre Heimat gegen eine kommunistische Invasion verteidigen und ihr Leben, ihre Heimat und ihre Freiheit nicht kampflos aufgeben wollen”. Die tatsächliche Kampfbereitschaft ukrainischer Neonazis imponiert deutschen Neonazis. Sie sehen darin nicht nur die Möglichkeit der Errichtung eines homogenen Staatsgebildes, sondern auch den Ansatz zur endgültigen Vernichtung von allem, was in ihrer Weltsicht als „Volksfeind” gilt. Dass diese Theorie zur Praxis wird, daran versucht sich auch der Aufruf eines dem russischen Neonazi Dennis „Nikitin” Kapustin nahestehenden Telegram-Kanals. Er fordert auf Deutsch Freiwillige dazu auf, in die Ukraine zu einem Sammelpunkt zu kommen und in den Krieg zu ziehen.

Narrativ 4: Die Übernahme russischer Propaganda

Schon seit den vorgeblichen „Friedensmahnwachen” 2014 begeistert sich die Rechtsaußen-Szene für Putin und für Russland – aus Freude am Autoritarismus, am Nationalismus und aus Ablehnung der liberalen Moderne, die mit „dem Westen” verknüpft wird. Weil russische Medien außerhalb Russlands auch in der Pandemie Zweifel an der Existenz des Virus gesät und Narrative der Querdenken-Bewegung verbreitet haben, erfreuen sich die staatseigenen russischen Medien nach wie vor großer Beliebtheit in der verschwörungsideologischen Szene. Auch im Krieg, der in russischen Medien nur „Spezialoperation” heißen darf, werden hier die Narrative übernommen und verbreitet.

Der Schweizer Rechtsextreme Ignaz Bearth spricht von einer angeblich notwendigen Demilitarisierung der Ukraine und  hält Putin für einen Befreier von „den Marionetten eines Tiefen Staates”. Telegram-Kanäle wie der des deutschen Unternehmers Friedemann Mack teilen Inhalte von Kanälen wie „Putin Fanclub” oder vermeintlich russischen Reservistenverbänden, die verbreiten, lediglich zu einer Befreiung auszurücken – passend zu Putins „Besatzungs-” und  „Entnazifizierung”-Narrativ, das jeglicher Realität entbehrt (vgl. Belltower.News).

All diese Narrative dienen dazu, den Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Hier geht es auch um das eigene Weltbild der rechtsalterantiven Verschwörungsideolog:innen, das sich um bestmögliche Konsistenz bemüht: Es beschädigt Putin als staatsmännisches „Vorbild” der Szene, wenn er als Aggressor einen souveränen Staat angreift. Das müssen diejenigen, die sich zwar autoritäre, völkische Führung wünschen, aber auch unabhängige, starke Nationalstaaten, erst einmal zurechterklären. Andererseits erkennen große Teile der Szene die Ukraine nicht als souveränen Staat an, sondern sehen die Ukraine entweder als Teil Russlands oder allenfalls als „neutrale” Pufferzone.

Bisweilen funktioniert die Rechtfertigung über Antiamerikanismus, wie ihn auch russische Medien propagieren: Dann wird die Ukraine zur angeblichen „Marionette” der USA, die damit Russland zerstören wolle (vgl. Belltower.News) Einen extremen Weg, wie es für die Szene funktioniert, Putin als Vorbild zu behalten, zeigt Ignaz Bearth: Im Endeffekt wird hier propagiert, es wäre – gegen die liberale Moderne – von Vorteil, wenn Putin gleich ganz Europa übernimmt.

Narrativ 5: Rassismus in der Debatte um Geflüchtete durch den Krieg

Menschen fliehen aus der Ukraine vor dem Krieg. Dies wird auch in extrem rechten Internetcommunitys diskutiert. Das vorherrschende Narrativ trennt dabei zwischen „kulturnahen” bzw. „echten” und „kulturfernen” bzw. „unechten” Geflüchteten und folgt dabei rassistischen Argumentationslinien. Der Rechtsextremist und Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner, spricht von „jungen Europäern”, die im Gegensatz zu „jungen Arabern” ihre Familie in Sicherheit bringen würden, um selbst zu kämpfen. Mit dieser Unterscheidung beschwört er eine konstruierte, aber als vermeintlich naturgegeben präsentierte  Gegensätzlichkeit herbei: Auf der einen Seite seien da die für ihr Land kämpfenden europäischen Männer, die nur ihre Frauen und Kinder außer Landes schaffen würden, und auf der anderen Seite die nach Europa migrierenden Männer aus nicht-europäischen Ländern, denen es nur um die eigene Haut ginge. Dieser Gegensatz knüpft an den von der „Jungen Alternative” geforderten Mythos des nationalen Unabhängigkeitskampfes an, der als „heroisch, ehrenhaft und imponierend” dargestellt wird und in dem der europäische Mann sein vermeintlich angestammtes Territorium unter allen Umständen verteidige. So schreibt es die „Junge Alternative” in einem  auf Telegram veröffentlichten Thesenpapier. Deshalb fordert sie auch: „Anrainerstaaten sollten bei der Aufnahme echter Kriegsflüchtlinge” unterstützt werden. Martin Sellner ist sich dagegen nicht so sicher: Er echauffiert sich über eine „Refugee Welcome-Verzückung“, die selbst die eigene Szene ergriffen habe.

Die Aufnahme „echter” Flüchtender wird von der AfD Sachsen als Anlass genutzt, um die Abschiebung anderer Geflüchteter zu fordern. Auch die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag bezeichnet ukrainische Flüchtlinge im Kontrast zu bisher nach Deutschland Geflohenen als „weder Islamisten noch Wirtschaftsmigranten”. Die extreme Rechte steht mit dieser Darstellung bis in die Neonazi-Szene sehr geschlossen da und verbreitet das Narrativ von Flüchtlingen, die lediglich ein Anrecht auf zeitlich begrenzte Sicherheit hätten, wenn sie Weiß sind.

Besonders ukrainische Frauen werden in diesen Debatten primär sexualisiert und fetischisiert, so ist „Ukrainian [girl]“ aktuell die meistgesuchte Kategorie auf der Plattform Pornhub und Incels aus dem europäischen Raum nutzen den Krieg, um ihren misogynen Fantasien freien Lauf zu lassen. Nicht nur in rechtsradikalen Telegram-Kanälen finden sich Kommentare unter Bildern ukrainischer Frauen mit Aussagen im Stil von „Für solche Flüchtlinge habe ich immer Platz“ (vgl. Belltower.News).

Fazit

Die Beispiele zeigen: In rechtsextremen, verschwörungsideologischen und antidemokratischen Szenen verändert sich zwar das Aufhängerthema mit dem politischen Weltgeschehen, doch die Narrative werden immer unter der Prämisse der eigenen Ideologie für die jeweils aktuelle politische Gelegenheitsstruktur passend geschmiedet. Die Feindbilder bleiben bestehen, zeitgeschichtliche Ereignisse werden entsprechend uminterpretiert. Um Antisemitismus zu verbreiten, kann Putin so zum Teil einer jüdischen Weltverschwörung werden. Um Rassismus verbreiten zu können, wird die Angst vor “illegalen nicht-weißen/-christlichen” Geflüchteten geschürt, während Ukrainer:innen (noch) als “wahre Geflüchtete” akzeptiert werden – aber mit sexistischen Projektionen überladen.

Die Teile der deutschen Gesellschaft, die sich während der Coronavirus-Pandemie in „wahnhafte Wirklichkeiten“ verabschiedet haben, werden in ihren Desinformationskanälen nun mit dem Aufhänger Russland-Ukraine-Krieg weiter mit antidemokratischen Weltsichten gefüttert, die das Grundnarrativ erhalten sollen, dass sie die auserwählten Informierten sind, die durchschauen, dass weiterhin “geheime Eliten” gegen “das Volk” arbeiten und dabei selbst vor Krieg nicht zurückschrecken. Praktisch kann das zu weiteren Angriffen auf die als Feind:innen markierten führen – etwa Jüdinnen:Juden, demokratische Politiker:innen, Journalist:innen. Im Kern führt das dazu, die Demokratie als Regierungssystem und die demokratischen Institutionen und Verfahren zu destabilisieren. Für die Präventionsarbeit bedeuten die aktuellen Entwicklungen sich noch stärker mit den Mechanismen von Desinformation und Verschwörungserzählungen zu beschäftigen.

Was tun? Handlungsempfehlungen von debunk – Verschwörungstheoretischem Antisemitismus entgegentreten

Durch den Russland-Ukraine-Krieg entstehen neue gesellschaftliche Herausforderungen in Deutschland. Geflüchtete aus Ukraine brauchen Unterstützung. Russischsprachige Communities in Deutschland sehen sich mit Rassismus konfrontiert, dem sich die Gesellschaft wiederum entgegenstellen muss. Und die im Zuge des Krieges verbreiteten Verschwörungsideologien stellen eine Herausforderung dar. Der Russland-Ukraine-Krieg verdeutlicht aufs Neue, welche großen Gefahren von Verschwörungsideologien ausgehen können. Nicht nur, dass sich Menschen dadurch legitimiert sehen, gewalttätige Handlungen zu begehen, sie dienen sogar politischen Führungspersonen zur Legitimation von Angriffen auf andere Länder.  Es  ist  dringend  notwendig, die Gefahren, die von Verschwörungsideologien ausgehen, ernst zu nehmen und bereits bei den Anfängen ihrer Verbreitung entgegenzuwirken. Die folgenden fünf Ratschläge sind demnach als soziales und politisches Basiswerkzeug zu verstehen:

1.  Verschwörungsideologien dürfen niemals unwidersprochen bleiben

Egal ob im Internet, in der Freizeitgruppe oder unter Kolleg:innen: Wenn Verschwörungsideologien auftauchen, braucht es demokratischen Widerspruch. Dazu   ist   es   manchmal   ausreichend,   dass   man   das   Gesagte   als Verschwörungsideologie oder schlicht als gefährlichen Sachverhalt markiert. Je nach Häufigkeit des Auftretens kann es auch notwendig sein, deutliche Grenzen einzufordern.

2. Verschwörungsideologien müssen verstanden werden

Noch   immer   hält   sich   die   Idee,   dass   Verschwörungsideologien   nur Falschnachrichten seien oder dass diese auf Irrtümern oder fehlende Bildung zurückzuführen seien. Hier ist zu entgegnen: Verschwörungsideologien sind gefährliche, dogmatische Weltbilder, die auf einem Freund/Feind- oder Gut/Böse-Schema basieren. Sie enthalten zudem die Botschaft, dass eine Art Notlage bestünde und dass man gegen diese etwas unternehmen müsste. Immer wieder fühlten sich Personen mit einem verschwörungsideologischen Weltbild berufen, mit   Gewalt   gegen   die   angebliche   Verschwörung   oder   Verschwörer:innen vorzugehen. Das Wissen um diese Bedeutung von Verschwörungsideologien trägt dazu   bei,   dass   die   notwendige   ernsthafte   Handhabe   in   der   Gesellschaft stattfindet.

3. Verschwörungsideolog:innen müssen Grenzen erfahren

In gesellschaftspolitischen Ausnahmesituationen wie in der Pandemie oder im Russland-Ukraine-Krieg haben   viele Menschen einen regelrechten Hunger   auf Informationen. Auf ihrer Suche nach den Ursachen von Ereignissen stoßen viele allzu leicht auf einen verschwörungsideologischen Kanal oder Webseite. Geschickt haben Verschwörungsideolog:innen dazu gelernt und ihre Angebote als Lebensberatung oder Gesellschaftskritik getarnt. Um diese Mimikry aufzudecken, braucht gute Aufklärungsarbeit, und  sollte es Verschwörungsideolog:innen so schwer wie möglich gemacht werden, ihre Inhalte zu verbreiten.

4. Verschwörungsideologien brauchen professionelle Beratungsangebote

Menschen, die Kontakt zu Menschen mit einem verschwörungsideologischen Weltbild   haben,   sind   sehr   schnell   überfordert   und   treffen   vielleicht   die Entscheidung, den Kontakt abzubrechen. Das ist einerseits nachvollziehbar, andererseits verspielen sie somit die  Chance, die  betreffende  Person  zu erreichen. Aus der Forschung ist bekannt, dass Personen, die noch über eine einigermaßen intakte soziale Beziehung zu diesen Menschen verfügen, durchaus einen Einfluss haben können. Die Gespräche oder Begegnungen sind aber mühsam und zäh. Zur Unterstützung der sogenannten Umfeldpersonen braucht es professionelle Begleitung und Beratung. Ein Liste empfehlenswerter Beratungsangebote finden Sie auf Belltower.News.


5. Verschwörungsideologien sind dann unwirksam, wenn es Kritikfähigkeit und Ambiguitätstoleranz gibt

Aus Studien wissen wir: Menschen haben dann einen verschwörungsideologischen Blick, wenn sie sich ohnmächtig oder chancenlos und machtlos fühlen. Um dem entgegen zu wirken, sollte eine demokratische Gesellschaft jene Einstellungen fördern, die sich kritisch mit der Gesellschaft und der Politik befassen. Auch ein hohes Maß an Transparenz über Vorgänge sowie die Existenz eines kritischen Journalismus sind förderlich. Zudem darf Demokratie nicht nur als Staatsform, sondern ebenso als Gesellschafts- und Lebensform begriffen werden. Erfahrungen mit Demokratie, auch mit Widerspruch oder Opposition zu den eigenen Ideen sowie das Erlernen der Fähigkeit zu Kompromiss und Kooperation sind wichtig.

Weitere Informationen hier (Analysepapier mit Bildern)

Download des Analysepapiers hier (PDF)

Amadeu Antonio Stiftung

Die Amadeu Antonio Stiftung reagiert auf eine rechtsextreme Alltagskultur, die sich vor allem in den neuen Bundesländern verankert hat. Das Ziel der Stiftung ist es, eine zivile Gesellschaft zu stärken, die dem Problem entschieden entgegentritt. Dafür unterstützt sie Initiativen und Projekte, die kontinuierlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgehen, sich für eine demokratische Kultur engagieren und für den Schutz von Minderheiten eintreten. Die wichtigste Aufgabe der Amadeu Antonio Stiftung: Lokale Akteurinnen und Akteure über eine finanzielle Unterstützung hinaus zu ermutigen, ihre Eigeninitiative vor Ort zu stärken. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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