Beim Bunten Bürgerforum für Demokratie Limbach-Oberfrohna

Mit Straßenkunst gegen rechte Schmierereien. Das Projekt „Grenzenlos farbenfroh“ des Bunten Bürgerforums Limbach-Oberfrohna

Foto: Buntes Bürgerforum für Demokratie Limbach-Oberfrohna

Das Bunte Bürgerforum für Demokratie Limbach-Oberfrohna entstand 2010 aus einer Gruppe von Eltern, die sich gegen die rechten Übergriffe auf ihre Kinder mit demokratischen Mitteln zur Wehr setzen wollten – auch gegen starken Widerstand aus der Stadtverwaltung und einzelner Mitglieder des Stadtrates. Medien berichteten damals ausführlich, das Forum erhielt 2011 den Sächsischen Förderpreis für Demokratie.

Aus dieser Initiative entwickelte sich mit den Jahren ein regelmäßiges öffentliches Treffen engagierter Menschen aus unterschiedlichen Lebenslagen und Altersgruppen. Ziel des Bündnisses ist es, die demokratische Alltagskultur in Limbach-Oberfrohna zu stärken und eine lokale Öffentlichkeit herzustellen, um rechtsextremen Erscheinungsformen mit kreativen, zivilgesellschaftlichen Mitteln entgegenzutreten. Ein neues Thema ist auch die Unterstützung von Geflüchteten.

Die Projekte des Bündnisses sind genauso vielfältig wie die Ideen der Teilnehmenden:

Ina Grobe plant ein regelmäßiges Beratungsangebot und Treffpunkt für die neuen Mitbürger_innen, um Kontakte aufzubauen und ganz praktisch im Alltag und bei Formularen zu helfen. Dafür wurde ein geeignetes Haus gefunden, die Asylsuchenden richten es derzeit her. „So wird es auch wirklich ihr Raum.“ Selbstorganisation, das ist Ina Grobe wichtig. „Nicht: ‚Wir bieten hier was‘ – sondern ‚Wir machen gemeinsam‘“!

Bisher öffnet sie schon jeden Samstag die Kleiderkammer für Geflüchtete – und kommt manchmal ins Gespräch, erfährt so von den Sorgen und Nöte der Asylsuchenden, auch von rassistischen Pöbeleien. „Wir denken, es ist ja eigentlich alles ruhig. Ich frage mich aber eher, ob wir von all den Anfeindungen überhaupt erfahren.“

Rechten Schmiereien und Parolen setzt Evelin Ogonowksi bunte Straßenkunst entgegen. Im Projekt „Grenzenlos farbenfroh“ gestaltet sie mit Schülerinnen und Schülern lokaler Oberschulen alte Garagen – und macht sie so zur „Freiluftgalerie“.

Durch die Verlegung von Stolpersteine wird der Opfer des Nationalsozialismus in Limbach-Oberfrohna gedacht. Durch das Erinnern zum Nachdenken anregen, dass sich Menschen nicht gleichgültig gegenüber anderen verhalten, sich engagieren und gegen Unrecht auflehnen – dies ist der Wunsch des Initiators Dr. Albert Klepper.

Auch die einzige unabhängige Bürger_innenzeitung der Stadt bringt das Forum heraus: „Der Rückspiegel“. In Artikeln begleiten die Autor_innen die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in der Stadt kritisch. Der satirische Blick durch den „Rathausritter“ lädt nicht nur durch die sächsische Mundart des Autors zum Schmunzeln ein.

Die jungen Engagierten der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V., ebenfalls Mitglieder im Forum, haben mit „La Bombonera“ einen Veranstaltungsraum und Infoladen aufgebaut. Essen für alle, Vorträge und Konzerte – der Raum bietet der alternativen, antifaschistischen Jugendkultur in Limbach einen festen Treffpunkt. Mit dem Hausprojekt „Doro“ bauten die jungen Engagierten eine weitere Räumlichkeit aus – für Ideen zum Ausbau und Nutzungskonzepte ist der Verein offen.

Unabhängig möchte das Forum sein – inhaltlich und finanziell. Sich von niemandem vereinnahmen lassen – nicht von der Stadt, nicht von Interessengruppen – das ist das Credo des Forums. Aus diesem Grund verzichteten die Engagierten auf eine starre Vereinsstruktur – auch wenn sie dadurch nicht selbst Förderanträge für Projekte stellen können.

„Geld ist aber nicht das Wichtigste. Am Anfang steht immer eine Idee, für die man sich einsetzt. Alles andere, auch die Finanzierung, ergibt sich dann von alleine“, so Mitglied Christoph Lordieck.

Im Gespräch mit … Engagierten des Bunten Bürgerforums für Demokratie

Die jüngsten Entwicklungen?

Auch wenn die rechten Übergriffe auf alternative Jugendliche in Limbach-Oberfrohna nicht mehr die Ausmaße annimmt wie noch 2011 – der Infoladen „La Bombonera“ ist weiterhin Ziel von Attacken. Erst im März 2016 griff eine Gruppe das Haus an und bedrohte die Bewohner_innen (RAA). An einer Fensterscheibe ist die Zerstörung heute noch sichtbar. Unklar bleibt, ob sie von einer Schreckschusspistole oder gar einer scharfen Waffen herrühren.

Um Pfingsten sabotierten Unbekannte das Auto des grünen Stadtrates und Forum-Mitgliedes Dr. Albert Klepper (vgl. FP). Nur durch großes Glück konnte ein lebensbedrohlicher Ausgang abgewendet werden. Es ist nicht der erste Anschlag: Im November 2015 wurde das Fenster seiner Praxis eingeschlagen. Einem Mitglied des soziokulturellen Bildungsvereins wurden auch Radschrauben am Auto entfernt.

Auch wenn sich die Engagierten im Forum dadurch nicht einschüchtern lassen – die regelmäßige Gewalt und die Anzeigen hinterlassen Spuren. „Es ist irgendwie selbstverständlich geworden – und das ist sehr traurig“, so Forumsmitglied Christoph Lordieck.


Herausforderungen?

Die Stolpersteine sieht Dr. Albert Klepper als wichtiges und notwendiges Projekt der Aufarbeitung des Naziregimes. In Limbach-Oberfrohna geht es jedoch nur langsam voran. Bisher bedarf die Verlegung jedes einzelnen Stolpersteines eines Stadtratsbeschlusses. Mit dieser Praxis steht Limbach-Oberfrohna unter den Kommunen weitgehend alleine da. „Was erdreisten sich die Stadträte, über die moralische Integrität der Ermordeten zu entscheiden. Das ist doch eine Unverschämtheit“, findet Klepper, selbst Stadtrat. Mit einem Änderungsantrag wird er dagegen vorgehen.

Wünsche an das Netzwerk Tolerantes Sachsen?

Dass das Landestreffen 2010 in Limbach-Oberfrohna stattfand, habe den Betroffenen damals sehr geholfen. So wurden auch die überregionale Öffentlichkeit auf die rechten Gewaltexzesse und die Ignoranz der Stadtverwaltung und einzelner Mitglieder des Stadtrates aufmerksam. Für 2016 wünscht sich das Bürgerforum vom Netzwerk:

Mehr inhaltlicher Austausch

In den großen Städten haben Menschen leichten Zugang zu Veranstaltungen, Workshops oder zu thematischen Filmabenden. In Limbach-Oberfrohna hingegen ist das Angebot begrenzt: Häufig organisiert das Forum selbst. Dafür sucht es Unterstützung durch die Mitglieder des Netzwerkes:

Veranstaltungen

Für Vortragsangebote oder Ideen zu anderen kulturellen Abenden aus den Reihen der anderen Mitglieder ist das Forum daher dankbar. So bereicherte Sandra Münch das Programm im April mit einem Vortrag über das aktuelle Fluchtgeschehen, Grundlagen des Asylrechtes und Ideen für ein interkulturelles Zusammenleben.

Ob Theaterstücke, Vorträge oder Kinofilme – weitere Hinweise sind herzlich willkommen. Das Themeninteresse ist vielfältig: Migration, Rechtsextremismus oder gelebte Demokratie. „Oder TTIP – dazu müssten wir mal was machen“, so Forumsmitglied Eberhard Windisch.

Beiträge für den ‚Rückspiegel‘

Wer von den Mitgliedern seine Stärken eher im Texten sieht, ist als Gastautor_in für die unabhängige Bürger_innenzeitung „Rückspiegel“ willkommen. Gerade für die Analyse sachsenweiter Entwicklungen sucht die Redaktion noch Beiträge.

‚Rückspiegel‘ auf Arabisch

Das Forum plant auch mehrsprachige Beiträge im „Rückspiegel“. So sollen auch die neuen Mitbürger_innen über das Stadtgeschehen informiert werden – um aktiv teilhaben zu können. Für die inhaltliche Gestaltung, Aufbau und Redaktion sucht das Forum noch Hinweise und Ideen aus dem Netzwerk.

Ihre Themenideen für – Regionaltreffen TolSax Konkret

Regionale Vernetzung

„Mich würde interessieren, ob es ähnliche Initiativen in den umliegenden Städten und Dörfern gibt“, so Manuela Weis, „dann könnte man sich austauschen und schauen, wie die anderen mit den Problemen umgehen und ob wir nicht auch Projekte zusammen machen können.“ Im Alltag bleibt ihr für diese Recherche und Vernetzung wenig Zeit. Das Regionaltreffen könnte ein guter Anlass sein, ein kleines Netzwerk aufzubauen.

Dazu wünscht sich Christoph Lohrdieck inhaltliche Anregungen und Weiterbildung.

Kontakt


Buntes Bürgerforum für Demokratie Limbach-Oberfrohna
E-mail:info@buntesbuergerforum.de
Web: https://buntesburgerforumlo.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/BuntesBuergerforum/


(27.06.2016)


Das Interview wurde im Rahmen unserer TolSaxOnTour (2016 und 2017) geführt. Zur Übersicht der Stationen

Tolerantes Sachsen | Mitglieder und Analyse

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