Fragwürdige Einstellung durch StA DD: Warum der Begriff ‚Bombenholocaust‘ den Holocaust verharmlost

Autor_innen: RAA Sachsen e.V.

25.01.2023

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat das Strafverfahren gegen ein rechtsextremes Transparent mit der Aufschrift „Ihr nennt es Befreiung. Wir nennen es Massenmord! Bombenholocaust. Dresden(…)“ eingestellt. Das Transparent war während eines Aufmarschs von Neonazis anlässlich des Jahrestags der Angriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg am 13.02.2022 getragen worden. …

… Das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen (BgA-Ostsachsen) hatte im Anschluss Strafanzeige wegen Volksverhetzung bei der Staatsanwaltschaft Dresden gestellt, die nunmehr eine Strafbarkeit verneinte. Das Bündnis kritisiert die Dauer des Verfahrens, die fragwürdige Begründung der Einstellung und kündigt dagegen Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden an. Denn: Der Begriff „Bombenholocaust“ verharmlost die systematische Vernichtung von Jüdinnen*Juden im Nationalsozialismus.

Die Einstellung begründet die Staatsanwaltschaft Dresden u.a. so:

„Die unbekannten Beschuldigten haben sich mit dem Transparent nicht zu den Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft geäußert.“ 

Für das BgA-Ostsachsen ist die Einstellung der Anzeige, die es nach § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch wegen der Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen einreichte, unverständlich und ein juristischer Fehltritt. Dazu Maren Düsberg vom RAA Sachsen e. V.:

„Wir können die Argumentation der Staatsanwaltschaft Dresden nicht nachvollziehen. Noch zu Beginn der Einstellungsverfügung schreibt sie, dass eine Verharmlosung des Holocausts vorliege, wenn dieser ‚heruntergespielt, beschönigt oder in seinem wahren Gewicht verschleiert‘ werde, worunter explizit ‚alle denkbaren Facetten agitativer Hetze‘ gefasst werden sollen. Dann aber fällt die Staatsanwaltschaft völlig aus der Rolle und verteidigt gerade den seit Jahrzehnten von Neonazis geprägten Begriff des ‚Bombenholocausts‘, da dieser angeblich nur das ‚Unrecht‘ ausdrücke, das den Bombenopfern von Dresden widerfahren sei.“ 

Damit bestreitet die Staatsanwaltschaft die Verharmlosung des Begriffs „Bombenholocaust“, der jedoch zwangsläufig auf die Verbrechen der Nationalsozialist*innen an den Jüdinnen*Juden verweist, wie Bündnismitglied Stefan Schwarz vom Hatikva e. V. erklärt:

„In Deutschland, aber auch in Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten oder Israel bezeichnet der Begriff Holocaust einhellig den von den Nationalsozialist*innen organisierten und industriell durchgeführten Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen*Juden. Mit dem Wort ‚Bombenholocaust‘ wird das Grundwort Holocaust bewusst seinem Kontext entlehnt und mit der Bombardierung Dresdens in Zusammenhang gebracht. Die Dimension der Bombardierung Dresdens wird dabei überhöht; die Dimension des Holocausts abgeschwächt und damit relativiert.“

Der Begriff verharmlost den Holocaust aber auch, indem er den fundamentalen Unterschied zwischen dem Sterben in Auschwitz und Dresden einebnet. Hierzu Bündnismitglied Felix Pankonin von der Hillerschen Villa:

„Der Holocaust war ein systematisches Mordprogramm, das auf einem unbedingten Willen zur Vernichtung aller Menschen basierte, die die Nazis zu Juden erklärt hatten. Bei der Bombardierung von Städten wie Dresden oder Coventry handelte es sich dagegen um ein, wenn auch schreckliches, Mittel der symmetrischen Kriegsführung, das im Fall von Dresden jede*n, Täter*innen wie Opfer des Nationalsozialismus betraf. Diesen Unterschied sprachlich einzuebnen, leugnet die antisemitische Dimension des Massenmordes an sechs Millionen Jüdinnen*Juden, den die Nationalsozialist*innen mit unverminderter Härte bis zur Kapitulation fortsetzten.“

Das BgA-Ostsachsen ist jedoch nicht nur über die inhaltliche Arbeit der Staatsanwaltschaft Dresden erschrocken. Auch die Länge des bisherigen Verfahrens sowie die Oberflächlichkeit der Ermittlungen haben das Vertrauen des Bündnisses in die Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit des Kampfes gegen Antisemitismus im Freistaat zutiefst erschüttert. Hierzu die Anwältin des Bündnisses Dr. Kati Lang: 

„Wir wissen um die Überlastung der sächsischen Justiz. Wenn aber die Bearbeitung eines Vorfalls, der bundesweit für einen Aufschrei der Empörung gesorgt hat, mehr als acht Monate und mehrere Sachstandsanfragen sowie die Beantragung einer Verfahrensübernahme durch die Zentralstelle Extremismus in Sachsen benötigen, dann scheinen die Prioritäten andere zu sein, als immer wieder öffentlich behauptet.“

Des Weiteren wird das Verfahren noch immer gegen Unbekannt geführt, obwohl eine Recherche in den sozialen Netzwerken schnell Indizien auf Personen am Transparent ergeben hätte. Bei mindestens zwei der Träger*innen handelt es sich wahrscheinlich um organisierte Neonazis aus dem Umfeld der Kleinstpartei Die Rechte, die seit Jahren für ihre antisemitische Hetze und Gewaltbereitschaft bekannt ist.

Die Staatsanwaltschaft Dresden geht auf diesen Zusammenhang nicht ein, wodurch sie abschließend auch behaupten kann, dass die Neonazis mit dem Transparent lediglich „eine inhaltliche Auseinandersetzung, sei sie zustimmend oder ablehnend,“ erzielen wollten. Dazu erneut Dr. Kati Lang:

„Die Mahnung eines ‚Nie wieder‘ darf nicht nur zu den bekannten Gedenktagen beschworen werden, sondern muss gerade auch in der täglichen Praxis von Justizbehörden Leitgedanke sein. Mit dem Verkennen historischer Zusammenhänge und rechtsextremer Chiffrierungen gibt die Staatsanwaltschaft Dresden antisemitischen Hassdelikten einen Persilschein.“

In der Hoffnung, die Wiederverwendung des Transparentes und des Begriffs bei den diesjährigen Demonstrationen rund um den 13. Februar doch noch unterbinden zu können, hat sich das BgA-Ostsachsen nach diesem besorgniserregenden Vorgehen der Staatsanwaltschaft Dresden entschieden, Beschwerde gegen die Einstellung bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden einzureichen. Um sicherzugehen, ruft das Bündnis aber auch alle engagierten Demokrat*innen auf, am 13. und 18. Februar gegen Neonazis und neue Rechte auf die Straße zu gehen und gemeinsam und respektvoll für ein Ende der öffentlichen Zurschaustellung von Holocaust-Verharmlosung und Antisemitismus einzustehen.

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