Beim different people e.v. in Chemnitz

„Du bist genau richtig – so, wie du bist“ Die Moderator_innen des different people e.V. sensibilisieren für vielfältige L(i)ebensweisen.

Foto: different people e.V.

„Schwule wackeln mit dem Hintern, haben alles in Plüsch und gehen mit ihrer besten Freundin shoppen.“
Diese und viele andere Vorurteilen möchte der different people e.V. in Chemnitz abbauen – und die Gleichstellung vielfältiger Lebens- und Liebensweisen fördern.

Dafür setzt der Verein auf breite Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, z.B. mit Projekten für alle Altersgruppen – von der Grundschule bis ins hohe Alter. Pädagogisch geschulte Moderator_innen mit ganz unterschiedlichen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten stehen dann Rede und Antwort: Wann hast du gemerkt, dass du dich anders fühlst? Wie hat dein Umfeld reagiert? Hast du schonmal Gewalt erfahren, wurdest du gemobbt?

Durch das persönliche Gespräch Erfahrungen und Wissen vermitteln, die Vielfalt der L(i)ebensweisen aufzeigen und so Diskriminierung und Gewalt entgegenwirken – das ist den Mitwirkenden wichtig.

Austausch steht auch bei den Freizeitaktivitäten und dem offenen Treff im Vordergrund. An vier Tagen der Woche geöffnet, bietet er Raum, Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zu treffen – oder einfach vom Alltag auszuspannen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Vereins liegt auf der Beratung und Begleitung von Menschen, die aufgrund ihrer Lebensweise mit sich selbst oder ihrem Umfeld in Konflikt geraten sind. In Gruppenberatungen oder im individuellen Gespräch, ob einmalig oder langfristige Begleitung – die Mitarbeitenden des Vereins stehen den Betroffenen zur Seite.

Mit Sabrina Jäger vom Team der different people, sprachen wir über die Veranstaltungsreihe „Hirschfeld Tage 2016“ sowie Vorurteile und fehlende Sensibilität.

Im Gespräch mit … Sabrina Jäger vom different-people e.V.

Die jüngsten Entwicklungen?

In den letzten zehn Jahren ist der Bedarf nach Beratung und Treffpunkten für Menschen mit vielfältigen Lebensweisen stark angestiegen. So kommen deutlich mehr Jugendliche in ihre Beratungen. Und das ist gut so.

Gerade in der Pubertät ist es sehr wichtig, junge Menschen auf der Suche nach ihrer Identität zu begleiten. Ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie sind genau richtig – so, wie sie sind. Und dass sie nicht alleine sind und sich mit anderen austauschen können. Schließlich ist die Mobbingrate bei betroffenen Jugendlichen enorm hoch – ebenso wie die Suizidrate.

„Wir haben so viele Leute, die dazwischenstehen“, so Sabrina Jäger. Vermehrt kommen transgeschlechtliche, transgender, intergeschlechtliche und andere queere Menschen in ihre Beratung. Die Binarität Mann|Frau wird zunehmend gelockert. Und die Menschen finden Worte für ihre Gefühle, ihre vielfältigen Lebensweisen, gehen selbstbewusster damit um und nehmen Angebote war.

LSBTIQ*-Themen – drei Monate – drei Bundesländer : die Hirschfeldtage 2016

Dass dies auch im ländlichen Raum gestärkt wird, dafür setzt sich Sabrina Jäger bei den Hirschfeld Tagen 2016 ein. Zusammen mit Organisationen in Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen und der Hirschfeld Stiftung plant der Verein zahlreiche Veranstaltungen zwischen Oktober und Mitte Dezember. Unter dem Motto „L(i)ebe die Vielfalt“ greifen sie zeitgeschichtliche sowie aktuelle Themen rund um Lebenswelten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ) auf.

Probleme?

Bei den Projektagen an Schulen stoßen die Moderierenden immer wieder auf Probleme:

„Besorgte“ Eltern untersagen ihren Kindern die Teilnahme, befürchten eine „Frühsexualisierung“. „Es kursieren die irrsten Gerüchte, dass wir Grundschülern Dildos geben und so. Das ist natürlich großer Unsinn“, so Sabrina Jäger. Vielmehr geht es darum, altersgerecht, sensibel und offen über Identität und Sexualität zu sprechen – Themen, die häufig tabuisiert werden.

Das Todschweigen oder fehlende Sensibilität für das Thema bemerkt sie auch bei Lehrenden: „Wir haben keinen Bedarf an dem Projekttag – solche Jugendliche gibt es bei uns nicht“, hört sie manchmal. Obwohl die Statistik nahelegt, dass in jeder Klasse ein bis zwei „Betroffene“ sind.

Und manchmal scheuen sich Lehrende auch, sich des Themas anzunehmen – aus Angst, selbst als „schwul“ stigmatisiert zu werden. Solche Fälle zeigen: Es besteht enormer Bedarf an Aufklärung.

Mehr Rückhalt und Anerkennung für ihre Arbeit, das wünscht sie sich von Politik, Verwaltung und Gesellschaft.

Wünsche an das Netzwerk Tolerantes Sachsen?

Der Verein kam eher zufällig zum Netzwerk. Die Mitarbeitenden dachten: Wenn ein Netzwerk „Toleranz“ im Namen trägt, dann müssen auch Vereine aus der LSBTIQ*-Community vertreten sein. Seither bringt sich die Mitarbeiterin Eunike Zobel aktiv im Sprecher_innenrat ein, um die Anliegen und Themen der Community über das Netzwerk in die Öffentlichkeit zu tragen.

Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit

So wünscht sich der different people e.V. von der Koordination, Veranstaltungen und Infomaterial über die vielen Kommunikationskanäle zu verbreiten. Die Website sollte unbedingt mit mehr Bildern das Interesse für die Themen wecken – und natürlich auch unterwegs auf dem Smartphone übersichtlich und leicht bedienbar sein. Öffentlichkeitsarbeit darf auch gut aussehen.

Sensibilität bei eigenen Veranstaltungen

Schön wäre es, wenn das Netzwerk bei Fachtagen und Treffen Sensibilität für die Thematik an den Tag legt. Für Anregungen und mit Infomaterial hilft Sabrina Jäger gerne weiter.

Materialpool

„Wir haben ein Festzelt und Ordnerbinden zum Ausleihen“ – Solch ein Angebots- und Ausleihpool für Materialien auf der Website wäre nützlich. Dort könnten Mitglieder aufzählen, was sie anderen Vereinen in der Region ausleihen können – oder was sie selbst für eine Veranstaltung benötigen.

Ihre Themenideen für – Regionaltreffen TolSax Konkret

Trotz geringer Zeitkapazitäten würde sie an einem Regionaltreffen teilnehmen – um sich mal mit ganz anderen Inhalten zu beschäftigen als in ihrem Arbeitsalltag.

Alltagsrassismus

Neuer Input zum Alltagsrassismus wäre interessant. Welche Formen gibt es, wie wird es von Betroffenen wahrgenommen und was machen diese Erfahrungen mit ihnen. Mit Menschen zu sprechen – nicht über sie, das ist ihr wichtig.

Argumentationstraining zum Umgang mit Einstellungen der Ungleichwertigkeit

„Ich bin ja kein Nazi, aber…“, „so ein Mongo“ oder „diese Kameltreiber“. Solche Äußerungen machen uns häufig sprachlos. Wir wissen oft nicht, wie wir angemessen reagieren können. Schlimmer noch, wenn sie von Menschen kommen, die uns nahestehen – in der Familie, im Job oder bei Freunden. Ein Workshop zum Umgang mit Einstellungen der Ungleichwertigkeit, mit abwertenden Äußerungen und rechten Parolen, das wäre sowohl für Sabrina als auch ihren Kollegen Markus Leonhardt interessant.

Kontakt


different people e.V. Chemnitz

Ansprechpersonen: Markus Leonhardt, Sabrina Jäger und Eunike Zobel
Hauboldstraße 10
09111 Chemnitz

Telefon: 0371/50094
E-Mail: info@different-people.de
Web: http://www.different-people.de/

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(30.06.2016)


Das Interview wurde im Rahmen unserer TolSaxOnTour (2016 und 2017) geführt. Zur Übersicht der Stationen

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