Nach Datenskandal beim sächsischen Verfassungsschutz: Zivilgesellschaft ohne Vertrauen in den Geheimdienst

Pressemitteilung des Netzwerks Tolerantes Sachsen vom 11.06.2021

Wie in den letzten Tagen durch einen Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission und Schilderungen von Betroffenen bekannt wurde, hat der sächsische Verfassungsschutz offenbar über Jahre hinweg illegal enorme Datenmengen gesammelt und gespeichert. Betroffen davon sind nicht nur Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder, sondern auch Menschen aus der Zivilgesellschaft, die sich im Freistaat tagtäglich unter teils enormen Gefahren gegen Rechtsextremismus engagieren.

Einmal mehr entsteht das Bild: Wer sich in Sachsen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzt, ist verdächtig. Beim NSU, dem Sturm 34, den Skinheads Sächsische Schweiz, der Gruppe Freital und bei Revolution Chemnitz sowie den Hetzjagden in Chemnitz hat der Verfassungsschutz dagegen sehr zögerlich agiert. Die PEGIDA-Bewegung wurde in Sachsen über Jahre hinweg trotz eindeutiger verfassungsfeindlicher Positionen nicht als Verdachtsfall geführt.

Dazu sagt Elisabeth Fast (Amadeu Antonio Stiftung), Sprecherin des Netzwerks Tolerantes Sachsen: „Solange der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form existiert, muss er sich an seinen eigenen Zielen messen lassen. In einem Bundesland, das seit mehr als 30 Jahren kontinuierlich mit rechtem Terror zu kämpfen hat, wäre es angebracht, sich auf gehaltvolle Analysen über die extreme Rechte im Freistaat Sachsen zu konzentrieren.“ 

Mitglieder des Netzwerks Tolerantes Sachsen sitzen in verschiedenen Gremien u.a. mit Mitarbeiter_innen des Landesamtes für Verfassungsschutz zusammen.

„Dabei fällt regelmäßig auf, dass die Analysen der ortskundigen Initiativen aufschlussreicher sind als die des Verfassungsschutzes“, so Robert Kusche (RAA Sachsen e.V.), ebenfalls Sprecher des Netzwerks Tolerantes Sachsen.

Vor diesem Hintergrund fordert der Sprecher_innenrat des Netzwerks Tolerantes Sachsen:

  • Vollständige Transparenz und Aufklärung durch das Sächsische Staatsministerium des Innern über Art, Umfang und Zahl der Betroffenen – kein Verstecken hinter fadenscheinigen Geheimhaltungsargumenten.
  • Aktive Benachrichtigung aller Betroffenen durch einen unabhängigen vertrauensvollen Beauftragten – nicht erst nach Einreichen eines Auskunftsersuchens bei der Behörde.
  • Aufgrund des immensen Vertrauensverlusts in den Verfassungsschutz sollen die Mitarbeiter_innen des Landesamtes nicht länger an Gremiensitzungen zwischen Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft teilnehmen. 
  • Dem Verfassungsschutz soll ferner das Mandat für Bildungsmaßnahmen entzogen werden.

Das Netzwerk Tolerantes Sachsen ist ein Zusammenschluss von rund 120 Organisationen und Vereinen der sächsischen Zivilgesellschaft, die sich für die Förderung demokratischer Kultur und vielfältige Lebensweisen sowie gegen Einstellungen der Ungleichwertigkeit, Antisemitismus und Rassismus einsetzen.

Kontakt

Für Rückfragen wenden Sie sich – aufgrund von Homeoffice bitte per Mail – an: 

Robert Kusche, Sprecher des Netzwerks Tolerantes Sachsen

Mail: robert.kusche@raa-sachsen.de

Die Arbeit des Netzwerkes Tolerantes Sachsen wird unterstützt durch den Förderverein Tolerantes Sachsen. Diese Maßnahme wird gefördert im Rahmen des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“. Die Zuwendungen stammen aus Steuermitteln. Diese Steuermittel werden auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes zur Verfügung gestellt.

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