Solidarisch wählen – Demokratie stärken!

Autor_innen: Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen in Kooperation mit dem Bündnis gegen Rassismus

Zum Superwahljahr 2024 ruft das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen in Kooperation mit dem Bündnis gegen Rassismus dazu auf, solidarisch zu wählen und die Demokratie zu stärken. Hier lest ihr unseren Aufruf. In den kommenden Tagen erscheinen außerdem Interviews, in denen Betroffene von Antisemitismus und Rassismus sowie ihre Verbündeten zu Wort kommen.

Aufruf: #SolidarischWählen – Demokratie stärken!

Das Superwahljahr: (K)ein Grund zur Freude?

Mit den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni und der Landtagswahl am 1. September 2024 steht uns in Sachsen ein wahres Superwahljahr bevor.

Sich zu gleich drei Anlässen an richtungsweisenden Entscheidungen für die politische Entwicklung von Kommunen, Land und Europäischer Union beteiligen zu können, sollte für die wahlberechtigten Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft ein Grund zur Freude sein. Das Recht durch Wahlen zuverlässig Einfluss auf die Regierungsbildung zu nehmen, ist historisch betrachtet nicht nur eine junge und gefährdete Errungenschaft, sondern auch eine ausgesprochen seltene. Global gesehen haben nur 7,8 Prozent der Weltbevölkerung das Privileg, wie wir in Deutschland in einer sogenannten „vollständigen Demokratie“ zu leben, die neben fairen Wahlen auch die Geltung umfassender Freiheitsrechte und die fortwährende Stärkung einer demokratischen Kultur garantiert.

Sächsische Verhältnisse: Die Demokratie am Scheidepunkt

Blicken wir in die Gegenwart Sachsens, ist unsere Freude vor dem sogenannten Fest der Demokratie, den anstehenden Wahlen, jedoch getrübt: Mit großer Sorge beobachten wir den massiven Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen, die gravierende Zunahme gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie die weite Verbreitung von Verschwörungsdenken in der sächsischen Bevölkerung. Diese Einstellungen stehen nicht nur in einem engen Wechselverhältnis mit den Mobilisierungserfolgen rechtsextremer Parteien und Organisationen in Sachsen. Sie haben auch zu einer Verschiebung der politischen „Mitte“ nach rechts beigetragen. Seit der letzten sächsischen Kommunalwahl 2019 haben die Parteien der Mitte bereits in verschiedenen Gemeinden und zu verschiedenen Anlässen den Schulterschluss mit Rechtspopulist*innen und -extremen gesucht. Gemeinsam haben sie versucht die politischen Spielräume der Zivilgesellschaft einzuschränken oder die Lebensbedingungen von Geflüchteten zu erschweren. Verweisen möchten wir hierbei explizit auf die jüngsten Entscheidungen des Dresdner Stadtrats, in dem ein Mitte-Rechts-Block voreilig für die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sowie die Abkehr vom Konzept des „sicheren Hafens“ stimmte.

Die wiederkehrenden Angriffe auf die Brandmauer nach Rechtsaußen in den Kommunen sind aber nur die eine Seite der Herausforderung für die Demokratie in Sachsen. Auch von der Landesebene geraten Freiheitsrechte und demokratische Kultur zunehmend unter Druck: Der sächsische Rechnungshof versuchte mit seinem Sonderbericht zur Richtlinie Integrative Maßnahmen, das staatliche Neutralitätsgebot gegen die politische Autonomie der Zivilgesellschaft auszuspielen. Die Regierungskoalition arbeitet derweil an einem neuen Versammlungsgesetz, das pünktlich zur Landtagswahl am 1. September in Kraft treten und das ohnehin schon restriktive Versammlungsrecht in Sachsen weiter verschärfen soll. Wenn Rechtsextreme wirklich, wie prognostiziert, mit 33 Prozent (oder mehr) der Sitze in den Landtag einziehen sollten und ihren Einfluss auf etwaige Verfassungsänderungen oder die Wahl von Verfassungsrichter*innen geltend machen, dann sehen wir die Demokratie in Sachsen an einem kritischen Scheidepunkt. Es stellt sich die Frage: Wie soll die selbstbewusste Behauptung von Demokrat*innen unter solchen Bedingungen überhaupt noch gelingen?

Hass und Hetze auf dem Vormarsch

Die ganze Dringlichkeit, mit der die Demokratie in Sachsen gestärkt werden muss, macht besonders ein Perspektivwechsel deutlich. Und das ist der Wechsel hin zur Perspektive derjenigen, deren Stimmen strukturell ausgegrenzt oder als nicht dazugehörig erklärt werden. Bei der letzten Landtagswahl in Sachsen 2019 waren 783.328 Menschen und damit annähernd 20 Prozent der Einwohner*innen Sachsens nicht wahlberechtigt.[1] Zu dieser Gruppe zählten deutsche Staatsbürger*innen unter 18 Jahren, Menschen mit Behinderung, die in allen Angelegenheiten betreut werden müssen,[2] sowie Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürger*innenschaft besitzen. Der Wahlausschluss erheblicher Bevölkerungsteile stellt ebenso wie strukturelle Einschränkungen, z.B. die mangelnde Barrierefreiheit von politischer Bildung oder Wahlbüros, ein grundsätzliches Legitimationsproblem für eine demokratische Gesellschaft dar. Und dies gilt insbesondere, wenn wir auf den Lebensalltag von Betroffenen von Antisemitismus und Rassismus blicken.

Als deutsche Staatsbürger*innen sind längst nicht alle Betroffenen von Antisemitismus und Rassismus vom Wahlrecht ausgeschlossen.[3] Dennoch teilen sie einen gemeinsamen Erfahrungsraum, der schon jetzt von Alltagsdiskriminierungen und Ausgrenzung in der Schule, auf Arbeit oder im Wohnumfeld bis hin zu massiven Angriffen auf ihre körperliche Unversehrtheit reicht. So verzeichnete die Statistik der Beratungsstelle Support 2023 bereits ohne die mobilisierenden Effekte eines rechtsextremen Wahlerfolges einen Anstieg rassistisch motivierter Gewalttaten um 36 Prozent auf 129 Fälle. Und eine dramatische Zunahme ließ sich auch im Bereich der antisemitischen Straftaten beobachten: Von 2022 auf 2023 stieg die Anzahl der polizeilich aufgenommen Fälle in Sachsen um 63 Prozent auf nunmehr 276 an.[4] Die Dunkelziffer liegt in beiden Fällen deutlich höher.

Demokratie statt Populismus: Geht solidarisch wählen!

Wir wissen, dass sowohl Antisemitismus als auch Rassismus in der gesamten Gesellschaft verbreitet sind. Das hat insbesondere der Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel verdeutlicht, in dessen Zuge es auch in Deutschland zu einem dramatischen Anstieg antisemitischer Straf- und Gewalttaten aus allen politischen Lagern und gesellschaftlichen Milieus kam. Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass der entschiedene Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus nicht mit Populismus, sondern nur in einer offenen und starken demokratischen Gesellschaft gewonnen werden kann. Solidarität und Argumente müssen über Hass und Hetze obsiegen.

Wir wollen die Demokratie in Sachsen stärken. In den kommenden Wochen werden wir Interviews in Schrift-, Ton- und Videoformat veröffentlichen, in denen die Betroffenen von Antisemitismus und Rassismus sowie ihre Verbündeten ihren Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Lage, die anstehenden Wahlen und ihre Wünsche teilen. Unser Aufruf:

Hört diese Stimmen an! Nehmt sie ernst und sprecht darüber! Berücksichtigt sie bei eurer Wahlentscheidung!

Lassen wir die Betroffenen von Antisemitismus und Rassismus nicht allein und stärken wir mit unseren Stimmen jene Kräfte, die für eine demokratische Zukunft einstehen. Geht solidarisch wählen!

Aufruf im Dilemma: An die demokratischen Parteien

Und zum Abschluss noch einige Worte an die, für deren Wahl wir uns hier aussprechen: In Anbetracht der vielen ausgelassenen Chancen eine sicherere, freiere, demokratischere und gerechtere Gesellschaft zu gestalten, schreiben wir diesen Aufruf auch mit Zerrissenheit und Verbitterung. Die unmittelbar anstehenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie die Verwirklichung von Klimagerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit und umfassender demokratischer Mitbestimmung sind immens. Sie erfordern eine mutige und visionäre Politik statt leerer Versprechungen und Parolen. Beweisen Sie, dass unser Vertrauen gerechtfertigt ist. Gehen Sie diese Probleme entschieden an. Wer weiß, wie viel Zeit Ihnen und uns dafür noch bleibt.   


[1] Die Zahlen sind aus den öffentlichen Bekanntmachungen des Freistaates Sachsen zur Einwohner*innenzahl 2019 sowie zur Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2019 errechnet. Siehe dazu: https://wahlen.sachsen.de/landtagswahl-2019-wahlergebnisse.php; https://www.statistik.sachsen.de/download/presse-2020/mi_statistik-sachsen_070-2020_bevoelkerung-dezember-2019.pdf

[2] Im Hinblick auf Menschen mit Behinderung hat es 2021 eine Wahlrechtsreform in Deutschland gegeben, die zu einem inklusiveren Wahlrecht führte. Siehe dazu: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wahlen/bundestagswahl/inklusives-wahlrecht-darum-sind-menschen-mit-behinderung-erstwaehler-bei-bundestagswahl-100.html. Außerdem wurde das Mindestalter für die Europawahl 2024 in Deutschland auf 16 Jahre herabgesetzt. Siehe dazu: https://www.tagesschau.de/europawahl/wahl/wahlalter-16-100.html. Grundsätzlich ist zu beachten, dass für jede der drei anstehenden Wahlen (Kommunal-, Europa- und Landtagswahl) unterschiedliche Wahlvoraussetzungen bestehen.

[3] Bei der Landtagswahl in Sachsen 2019 hatten z.B. 105.236 wahlberechtigte Deutsche eine Migrationsgeschichte. Siehe dazu: https://www.integrationsmonitoring-laender.de/indikatoren-a-bevoelkerung-demografie-a3-wahlberechtigte-deutsche-mit-migrationsgeschichte.html

[4] Die Zahlen basieren auf unserer Auswertung der Kleinen Anfragen von Kerstin Köditz (MdL, Die Linke) zu „Politisch motivierter Kriminalität“ im sächsischen Landtag. Die Kleinen Anfragen können hier recherchiert werden: https://edas.landtag.sachsen.de/

[kurz und einfach]

Solidarisch wählen – Demokratie stärken!

Am 9. Juni 2024 finden die Kommunal- und Europawahlen in Sachsen statt. Der sächsische Landtag wird am 1. September 2024 gewählt. Damit steht uns in Sachsen ein Superwahljahr bevor. Das sollte ein Grund zur Freude sein, denn das Recht auf faire Wahlen ist keine Selbstverständlichkeit.

Blicken wir auf die Wahlen in Sachsen können wir uns nicht so richtig freuen. Mit Sorge beobachten wir den Verlust von Vertrauen in Parteien, Parlamente und Regierung. Sorgen bereiten uns aber auch die Zunahme von Antisemitismus und Rassismus sowie der Glaube an Verschwörungen. Das alles führt zu einer immer größeren Zustimmung für rechtsextreme Parteien. Und damit steigt auch ihr Einfluss auf die Politik. Einige demokratische Parteien arbeiten schon seit den letzten Wahlen mit rechtsextremen Parteien zusammen. Dadurch wurde der Alltag von engagierten Menschen und Geflüchteten erschwert. Im Dresdner Stadtrat wurde zum Beispiel entschieden, dass Geflüchtete kein Bargeld mehr bekommen sollen. Und der Freistaat Sachsen will soziale Vereine daran hindern, sich zu politischen Themen zu äußern. Die sächsische Regierung plant außerdem, das Recht auf politische Versammlungen einzuschränken. Damit greift sie ein wichtiges Grundrecht auf Mitbestimmung an.

Wenn der Einfluss von rechtsextremen Parteien bei den Wahlen weiter zunimmt, dann sehen wir die Demokratie in Sachsen endgültig in Gefahr. Mit einem Drittel der Stimmen könnten rechtsextreme Parteien zum Beispiel Einfluss auf Änderungen der Verfassung nehmen. Uns stellt sich die Frage: Wie demokratisch kann Sachsen dann noch sein?

Das alles ist schlimm genug. Dazu kommt aber noch, dass viele Menschen, die von dieser Politik betroffen sind, oft selbst nicht wählen dürfen. Bei der letzten Landtagswahl in Sachsen waren zum Beispiel fast 20 Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt. Zu dieser Gruppe gehörten Personen unter 18 Jahren, viele Menschen mit Behinderung sowie Menschen ohne deutschen Pass. Die Wahlen geben also nicht die Meinung der ganzen Bevölkerung wieder. Nicht alle Menschen werden gleichbehandelt.

Auswirkungen hat das vor allem für das Leben von Personen, die direkt von Antisemitismus und Rassismus betroffen sind. Selbst wenn sie Deutsche sind, machen sie in ihrem Alltag häufig schreckliche Erfahrungen. Sie werden beleidigt, bedroht oder angegriffen. Das kann ihnen in der Schule, auf Arbeit oder auf der Straße passieren. In den letzten Jahren geschehen solche Angriffe immer häufiger. Die Angreifenden sind nicht immer rechtsextrem. Antisemitismus und Rassismus sind in der ganzen Gesellschaft verbreitet, auch in allen Parteien. Ganz deutlich haben das die Reaktionen auf den Terroranschlag der Hamas auf Israel gezeigt.

Trotzdem wollen wir die Demokratie nicht aufgeben. Im Gegenteil: Wir denken, dass der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus mehr statt weniger Demokratie braucht. Zusammenhalt und Mitbestimmung müssen gestärkt werden. Solidarität muss über Hass und Hetze siegen.

Wir wollen die Demokratie in Sachsen stärken. Dazu teilen wir in ab jetzt Interviews, in denen Menschen, die von Antisemitismus und Rassismus betroffen sind, sowie ihre Unterstützer*innen sprechen. Hört diese Stimmen an! Nehmt sie ernst und sprecht darüber! Und beachtet sie bei eurer Wahlentscheidung! Geht solidarisch wählen! Wir lassen die Betroffenen von Antisemitismus und Rassismus nicht allein.

Zum Schluss möchten wir auch die demokratischen Parteien ansprechen:

Wir schreiben all das mit Ärger und Frust. Auch wir sind enttäuscht. Sie haben in den vergangenen Jahren viele Chancen versäumt und falsche Entscheidungen getroffen. Klimawandel, soziale Ungleichheit und Ausgrenzung werden nicht entschieden bekämpft. Wir haben keine Zeit mehr. Werden Sie aktiv. Wir brauchen jetzt mutige Politik statt leerer Versprechen.


„Wir möchten uns gerne nicht verstecken müssen“

Interview mit Uwe Kuhnt von Chabad Lubawitsch Sachsen

Lieber Uwe Kuhnt, du bist der Assistent von Rabbiner Havlin bei Chabad Lubawitsch Sachsen in Dresden. Stell euch doch bitte kurz vor: Wer seid ihr? Was sind die aktuellen Schwerpunkte eurer Tätigkeit? 

Chabad Lubawitsch Sachsen ist ein eingetragener Verein und eine orthodoxe jüdische Gemeinde. Wir haben aktuell ca. 350 Mitglieder und sind über einen Kooperationsvertrag mit dem Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden assoziiert. Darüber hinaus bilden wir einen Verband mit 20 weiteren Chabad-Gemeinden in Deutschland. International stehen wir in Verbindung mit Gemeinden in über 100 Ländern.

Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt in der Organisation unseres Gemeindelebens. Wir begehen gemeinsam den Schabbat sowie jüdische Feiertage und bieten einen Seniorentreff und Sozialberatung. Außerdem führen wir eine Tora Schule für Erwachsene und Kinder und geben Hebräisch Unterricht. Des Weiteren haben wir zwei Gruppen für jüdische Kinder mit Tagesmüttern.

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen und politischer Polarisierung: Wie blickt ihr auf die aktuelle politische Lage? Welche Auswirkungen spürt ihr konkret in eurem Tätigkeitsfeld?

Durch die Corona-Pandemie und auch durch den 7. Oktober sind unsere Mitglieder enger zusammengerückt. Das Gemeindeleben ist sehr aktiv und wir helfen einander. Dennoch gibt es viele Ängste und Sorgen, insbesondere unter den Israelis unter uns. Wir sorgen uns vor dem wachsenden Antisemitismus, auch gegen Israel.

Deutschland sehen wir vor dem Scheideweg hin zu einem großen Rechtsruck – wir befürchten aber auch einen starken Zuwachs des Antisemitismus aus Richtung des fanatischen Islams und der deutschen Linken. Wird das so weiter gehen, sehe ich, dass sich viele Juden, insbesondere die jüngeren, mit der Auswanderung nach Israel beschäftigen werden. Und das wohl auch in die Tat umsetzen.

2024 stehen drei richtungsentscheidende Wahlen in Sachsen bevor (Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen). Mit welchen Gefühlen blickt ihr auf die möglichen Stimmgewinne für rechtsextreme Parteien? Was würde ein wachsender Einfluss von rechtsextremen Kräften für euch und eure Organisation bedeuten? 

Schon jetzt haben die meisten jüdischen Menschen Angst, sich offen als Juden zu zeigen. Sie tragen keine Kippa oder andere Symbole, sprechen möglichst kein Hebräisch in der Öffentlichkeit. All das beschränkt sich auf die Gemeinde, sie ist unser „Safe-House“. Wird sich die öffentliche Meinung im Zuge der Wahlen weiter radikalisieren, denke ich, dass sich diese Tendenzen weiter verstärken.

Gesamtgesellschaftlich sehen wir bei der Justiz häufig zu wenige Sanktionen gegen Judenfeindlichkeit. Und auch in den Medien wird der Ton unsachlicher bzw. entspricht er häufig nicht den Tatsachen. Wir beobachten z.B. mit Sorge, dass O-Töne der Hamas als wahr angesetzt werden.

Solange die Zugewinne für rechtsextreme Parteien beschränkt bleiben und sie keinen Einfluss auf die Legislative bekommen, hoffen wir, dass sich die Dinge nicht dramatisch verschlimmern werden. Das gilt besonders mit Blick auf die Justiz und die Sicherheitsbehörden. Ihre Ausbildung und ihre Verpflichtung auf Recht und Gesetz sollten zunächst vor einer tiefergehenden Indoktrinierung schützen.

Zum Glück sind die Wahlen noch nicht verloren: Welche Erfolge eurer Arbeit würdet ihr gerne verstetigen, statt euch zu sorgen?

Einer unserer größten Erfolge ist sicherlich, dass wir ab 2025 über den „Vertrag des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden“ finanziert werden.  In den letzten 20 Jahren haben wir es aber auch aus eigener Kraft geschafft, die Mittel für unser Gemeinde-Leben zu erwirtschaften – im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden. Wir hoffen, dass nun Kapazitäten bei uns freigesetzt werden, die wir z.B. für eine intensivere Mitarbeit in politischen Gremien nutzen möchten.

Daneben ist uns vor allem wichtig, die Integration der ukrainischen Juden in unsere Gemeinde fortzusetzen. Eine der dringendsten Aufgaben ist es hierbei, sie in Arbeit zu bringen.

Zwei letzte Fragen: Welche Wünsche habt ihr an (Nicht-) Wähler:innen in Sachsen? Was erwartet ihr von den demokratischen Parteien in der kommenden Legislaturperiode?

Das ist einfach: Geht alle wählen, macht von euren demokratischen Rechten gebrauch und schaltet euer Hirn ein!

Von den demokratischen Parteien wünschen wir uns weiterhin eine starke moralische Unterstützung des jüdischen Lebens in Sachsen und in Dresden sowie ein Werben für Akzeptanz in der breiten Bevölkerung. Wir möchten uns gerne, wie auch andere Minderheiten, nicht verstecken müssen – aber dieser Wunsch ist und bleibt eine Illusion in Deutschland.


Die Interviews geben die Meinung der Befragten wieder und spiegeln nicht notwendigerweise die Position der Bündnisse wider.

Weitere Informationen

Support für Betroffene rechter Gewalt (RAA Sachsen)

Support - die Beratung für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e.V. berät und unterstützt sowohl Betroffene als auch Angehörige, Freunde und Freundinnen der Betroffenen und Zeug_innen eines Angriffs. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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