TolSax Update | November 2025

Im Editorial des November-Newsletters ruft Dave Schmidkte vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. dazu auf, mutig, verantwortungsbewusst und solidarisch mit geflüchteten Menschen zu sein. „Gerade in einer Phase, wo das Recht auf Asyl erodiert, ist es unser aller Auftrag, die Lehren der Geschichte nicht zu vergessen und Flucht und Bewegungsfreiheit als menschenwürdigen Akt zu verteidigen“, heißt es in dem Editorial. Darüber hinaus findet Ihr im Newsletter Termine, Fördertipps und weitere Anregungen für Euer Engagement in Sachsen.

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Editorial von Dave Schmidtke | Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.

Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,

zehn Jahre nach dem sogenannten „Sommer der Migration“ finden sich in zahllosen Medien Bilanzen, ob sich „Wir schaffen das“ bewahrheitet hat oder nicht. Doch diese Informationsflut füllt nicht die tiefen Gräben im Diskurs zu Flucht und Asyl. Zu oft wurde es versäumt, einen konstruktiven Dialog zu suchen und Perspektiven Schutzsuchender anzuhören. Wer 2015 mit Schaum vor dem Mund in Heidenau oder Bautzen gegen Geflüchtete hetzte – ohne je mit einer geflohenen Person gesprochen zu haben – folgt dieser diffusen Angst meist noch heute.

Gestern wie heute spielen tatsächliche Fluchtursachen kaum eine Rolle. Viel eher geht es darum, wie sich neu Ankommende schnellstmöglich anzupassen oder das Land zu verlassen haben. Nur wird heute nicht mehr im Verborgenen gehetzt, sondern mit kollektiver Wut der Nachbarschaft im Rücken offen eine Mehrheitsmeinung vertreten. Nicht nur im Freistaat: Die AfD liegt bei Prognosen in Sachsen-Anhalt bei 40 Prozent und in Deutschland knapp hinter der CDU – ein deutliches Signal der Verschiebung.

Diese Umfragen bestätigen unsere Befürchtungen: Die Entrechtung von Schutzsuchenden stärkt den rechten Rand und schwächt die Demokratie. Das dünne Furnier der Zivilisation stützt sich auf Menschenrechte, die gestern für Geflüchtete, heute für Queere und morgen für Erwerbslose eingeschränkt werden sollen. Gerade in einer wirtschaftlichen Rezession verschärft das die Spannungen und befeuert antidemokratische Narrative.

Im Rückblick auf 2015 und die Willkommenskultur scheinen aktuelle Entwicklungen nur eine Richtung zu kennen: mehr Repressionen für Schutzsuchende. Abschiebungen werden vom Kanzler als Lösung präsentiert, Mauern in Europa als Solidarität verklärt – auch wenn mit der GEAS-Reform Haft für Kinder und Familien droht.

Pushbacks sind heute nicht mehr nur an europäischen sondern auch an deutschen Grenzen Realität: Menschen werden trotz Asylgesuch zurückgewiesen. Zwar erklärte ein Berliner Gericht diese Praxis für rechtswidrig, doch das Innenministerium setzt sich über die Justiz hinweg – ganz im Stil demokratiefeindlicher Entwicklungen in den USA.

All dies geschieht, weil die Lobby für Geflüchtete kaum hörbar ist und Fakten den gefühlten Wahrheiten untergeordnet werden. Im rechten Fahrwasser treiben nicht nur Verantwortliche, sondern auch Leitmedien ab. Eine Langzeitanalyse zeigte: 94,6 Prozent der TV-Berichte über Gewaltdelikte handeln von ausländischen Tatverdächtigen – bei real 34,3 Prozent laut Statistik. Eine gezielte Verzerrung, um Empörung Reichweite zu geben.

Diese Debatten gleichen Anklagen und blenden die Betroffenen aus – jene, die unter der Stimmung leiden und deren Anstrengungen kaum Würdigung erfahren. Dass heute 64 Prozent aller Geflüchteten, die 2015 ankamen, in Arbeit sind, erzeugt keine positive Stimmung. Deshalb lehnen wir eine inhumane Verwertungslogik ab, die Krisen von Geflüchteten nur anerkennt, solange sie dem BIP nützen. Wer Menschenrechte an Produktivität koppelt, verfehlt ihre Intention.

Heute müssen wir wieder betonen, dass ein Mensch ein Mensch ist und Rechte hat. Wird dies verinnerlicht, verlieren Debatten über Bezahlkarten, Ausreisezentren, Abschiebehaft oder Arbeitsverbote ihre inhumane Ausrichtung. Geflüchtete waren nie gleichberechtigt und mussten sich stets gegen institutionelle und gesellschaftliche Barrieren behaupten. Doch die Verantwortung dies zu ändern, liegt bei uns allen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Entmenschlichung zum politischen Stilmittel wird. Es braucht laute Stimmen gegen Hass und Spaltung – in Vereinen, Nachbarschaften, Redaktionen und Parlamenten. Solidarität ist keine spontane Emotion, sondern demokratische Pflicht. Zehn Jahre nach 2015 zeigt sich: Was damals möglich war, bleibt es auch heute – wenn Mut, Mitgefühl und Menschenrechte wieder ins Zentrum politischen Handelns rücken. Gerade in einer Phase, wo das Recht auf Asyl erodiert, ist es unser aller Auftrag, die Lehren der Geschichte nicht zu vergessen und Flucht und Bewegungsfreiheit als menschenwürdigen Akt zu verteidigen. Eine gute Lektüre des November-Newsletters wünscht

Dave Schmidkte | Sächsischer Flüchtligsrat e.V. | schmidtke@sfrev.de

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Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.

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