Beim Bündnis für Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region

Mit Kreide gegen rassistische Einstellungen. Nur eine der vielen Aktionen aus dem Bündnis für Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region.

Foto: Sternendekorateure

So bunt wie auf dem Zwickauer Hauptmarkt im Frühjahr 2016 geht es auch im Bündnis für Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region zu. Es vereint ein breites Spektrum Engagierter:

Vom Kreisschülerrat bis zur Seniorenvertretung, von DIE LINKE. bis CDU, vom DGB bis zum Martin-Luther-King Zentrum Werdau, diverse Theater, Polizei und die Stadt Zwickau – insgesamt 60 Vereine und Institutionen engagieren sich im Bündnis.

Ihr gemeinsames Ziel: Toleranz und demokratische Grundprinzipien in der Region stärken und die Menschen ermutigen, sich aktiv in der Gesellschaft einzubringen. Alle drei Monate treffen sich die Mitglieder bei einem anderen Bündnispartner, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und neue Ideen auszutauschen.

Das Koordinierungsbüro des Bündnisses vernetzt die unterschiedlichsten Akteur_innen, vermittelt Ressourcen und Wissen und steht Jugend- sowie Bürgerinitiativen beratend zur Seite. Auch die vielen Helferkreise unterstützen die Mitarbeiter, bieten Bildungsangebote zum Thema Asyl und stellen Kontakte zu den zuständigen Behörden und Institutionen her.

Einmal im Jahr organisiert das Bündnis die „Tage der Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region“. 2016 besuchten 4000 Interessierte die etwa 40 Veranstaltungen zahlreicher Vereine und Organisationen. Die Teilnahme stieg im letzten Jahr.

Wählerforen, Lesungen oder Filmgesprächen zu den Themen Rechtsextremismus oder NSU. Das Bündnis bringt aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in die Diskussion – und hält das Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur aufrecht.

So bieten die „Novembertage 2016“ vielfältige Veranstaltungen zum geschichtsträchtigen Monat November: Reichsprogromnacht, Deutsche Einheit oder auch NSU. Am Theatertreffen zum 5. Jahrestag der Aufdeckung der NSU-Verbrechen, „Unbekannte Nachbarn“, beteiligt sich das Bündnis mit eigenen Veranstaltungen. Projektmitarbeiter René Hahn:

„Es wird schwieriger, das Thema in den Köpfen weiter präsent zu halten. Aber wir als Gesellschaft müssen alles dran setzen, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen“, betont Hahn. „Wir sehen es ja jetzt beim Flüchtlingsthema. Die Leute sind wieder schneller bereit, gewalttätig zu werden.“

Im Gespräch mit … René Hahn vom Bündnis für Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region

Die jüngsten Entwicklungen?

Wie überall in Sachsen sorgte auch in Zwickau die Ankunft Asylsuchender für eine Polarisierung der Bevölkerung: Einerseits großes ehrenamtliches Engagement für die Geflüchteten, andererseits Ablehnung, Hass und Hetze bei rassistischen Protesten. Im Frühjahr 2016 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft (Der Tagesspiegel 22.05.16 u.a.).

„Mittlerweile hat sich die Situation aber etwas beruhigt“, so Hahn. „So sinkt beispielsweise die Beteiligung an den Demos des ‚Bürgerforums‘.“ Man müsse abwarten, wie es sich nach der Sommerpause entwickle.

Um kreativen Gegenprotest war man im Bündnis jedoch nicht verlegen:

Die Aktionskünstler „Sternendekorateure“ besetzten kurzerhand symbolisch jenen Platz, der Abschlussort eines rassistischen Sternmarsches im Frühjahr 2016 werden sollte: Mit Kreide schrieben sie in großen Lettern ‚Toleranz‘, ‚Respekt‘ oder ‚Nächstenliebe‘ auf den Boden des späteren Versammlungsortes. Würden die Marschierenden diese Werte mit Füßen treten?

„Einige aus dem Bürgerforum wollten die Idee aufgreifen und an den Worten vorbei laufen, aus Achtung. Hardliner fragten: ‚Was geht?’“ beschreibt Hahn die interne Debatte im Bürgerforum. Schlussendlich machten sich Sympathisanten die Mühe, die Worte wegzuschrubben. Also, Toleranz und Respekt auszuradieren.

Hahn setzt darauf, gegen den Hass an zuarbeiten. Die abstrakten Ängste durch persönlichen Kontakt zu Geflüchteten abbauen – das ist seine Strategie. „Wenn sich Menschen untereinander kennenlernen, werden Vorurteile abgebaut. Dann gibt es automatisch weniger Proteste“, hofft Hahn.

Bei einem interkulturellen Fest am 1. Oktober möchte das Bündnis die Menschen in der Stadt zusammenbringen – und allen Alteingesessenen und neu Angekommenen danken, die sich gemeinsam für ein gutes Zusammenleben einsetzen.

Herausforderungen

Das Bündnis zukünftig noch breiter aufstellen – das ist René Hahns Ziel. Er möchte besonders die Initiativen und Organisationen aus der ländlichen Region um Zwickau einladen, sich im Bündnis einzubringen.

Wünsche an das Netzwerk Tolerantes Sachsen?

Vernetzung

„Das ‚Tolerante Sachsen‘ ist wichtig für uns, um neben der regionalen Vernetzung auch sachsenweit gut verknüpft zu arbeiten“, fasst René Hahn zusammen.

Besonders wichtig ist ihm der Austausch von Wissen und Strategien. Ein Regionaltreffen würde auch eine gute Gelegenheit bieten, gemeinsam an drängenden Themen zu arbeiten und den eigenen Bündnismitgliedern das Netzwerk präsenter zu machen.

Themenideen für Regionaltreffen TolSax Konkret

Stärkung von Diskussionskultur

Anschuldigungen, Beleidigungen, hate speech – immer seltener erlebt man Debatten, in denen man respektvoll miteinander streitet. Wie können wir die diversen Meinungen an einen Tisch holen, um sinnvoll zu diskutieren? Welche Moderation braucht es dafür? Welche Grenzen müssen dennoch aufgezeigt werden, um menschenverachtender Rede Einhalt zu gebieten. Diese Fragen interessieren René Hahn. Er würde sie gerne bei einem Regionaltreffen mit den anderen Mitgliedern diskutieren.

Kontakt

Bündnis für Demokratie und Toleranz in der Zwickauer Region

Ansprechperson: Matthias Bley (Koordinator) und René Hahn (Mitarbeiter)
c/o Alter Gasometer e.V.
Kleine Biergasse 3
08056 Zwickau

Tel: 0375/2772117
E-mail: kontakt@demokratiebuendnis.de
Web: http://www.zwickauer-demokratie-buendnis.de
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(12.08.2016)


Das Interview wurde im Rahmen unserer TolSaxOnTour (2016 und 2017) geführt. Zur Übersicht der Stationen

Tolerantes Sachsen | Mitglieder und Analyse

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