TolSax Update | November 2023

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Im Editorial unseres #TolSax-Update November schreibt Raimund Grafe, Vorsitzender des Erich-Zeigner-Haus e.V., über demokratische Erinnerungskultur und den Zusammenhang von wehrhafter Demokratie und dem Kampf gegen den Antisemitismus. Wie jeden Monat ist auch der Rest des Newsletters gespickt mit Impulsen für ein aktiv gelebtes demokratisches Miteinander.

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Editorial von Raimund Grafe, Erich-Zeigner-Haus e.V.

Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,

wenn wir wie jedes Jahr an die Pogrome in Deutschland am 9. November 1938 und die damit einsetzende Vertreibung und Vernichtung der Juden in Deutschland erinnern, dann denken wir an einen Flächenbrand, der am Ende die ganze Welt erfasste.

Denn Terror bleibt nicht lokal begrenzt. Wie die Wellen, die entstehen, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird, breitet sich eine Atmosphäre der direkten und der diffusen Angst aus, der das Verhalten verändert. Es gibt eine zweite, dritte und weitere Welle von verändertem Kalkül und innerer Anpassung, mit der unsere Zivilcourage erodiert. Nach dem ersten Entsetzen über das Massaker der Hamas in Israel höre ich z. B. Geschichten, wie die des Leipziger Mitglieds der jüdischen Gemeinde, der von einem Hausnachbarn gefragt wird, ob Mitbewohner nun auch in Gefahr geraten, weil Juden im Haus wohnen. Anstatt zu Sagen: „Ich werde Dich beschützen, damit Du weniger Angst hast“, heißt es, „muss ich jetzt auch Angst haben, bloß weil Du jetzt in Angst leben musst.“

Diesem Mechanismus der schleichenden Einschüchterung müssen wir ein aktives Erinnern in Sachsen entgegensetzen, welches am 9. November beim Putzen der Stolpersteine nicht nur mit Kerzen in der Hand in stiller Andacht stehen bleibt, sondern Juden und jüdisches Leben in Deutschland schützt und bei der Bedrohung Israels durch die, die alle Juden ins Meer werfen wollen, nicht um den heißen Brei herumredet.

Vor dem Hintergrund der Bedeutung des 9. November als Gedenktag der deutschen Geschichte, wissen wir um den Zusammenhang zwischen dem Schutz jüdischen Lebens und dem Schutz unserer Demokratie. Denn Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit gingen in der deutschen Geschichte immer Hand in Hand.

Am 9. November vor genau 100 Jahren versuchte Adolf Hitler in München die Demokratie weg zu putschen und den Judenhass zur Staatsraison zu machen. Er wählte dazu den 9. November, weil an diesem Tag die 1. Deutsche Republik, allgemein als die „Weimarer“ bekannt, ausgerufen wurde. Und diese wiederum knüpfte an den demokratischen Aufbruch des Jahres 1848 an, der am 9. November durch dir Erschießung des Leipziger Abgeordneten der Nationalversammlung, Robert Blum, einen entscheidenden Rückschlag erlitt. Die Nationalsozialisten wählten den 9. November als Tag für die Pogrome 1938 gegen Juden und ihre Existenz ebenso bewusst aus.

Sie zielten als Doppelschlag sowohl gegen die jüdische Bevölkerung, wie gegen die demokratische Zivilcourage der Mehrheitsgesellschaft. Genau ein Jahr später, ebenfalls an einem 9. November, wollte Georg Elser den Spuk mit einem Attentat beenden und scheiterte.

Umgekehrt geht die Entwicklung der Demokratie in Deutschland und Europa einher mit der Gleichstellung der Juden und dem Aufblühen jüdischen Lebens. Angefangen von der ersten Verfassung der Französischen Revolution 1989, über die Paulskirchenverfassung von 1848 und die Verfassung der 1. deutschen Republik 1918 wird jeder Diskriminierung der Juden ebenso eine Absage erteilt, wie in unserer jetzigen Verfassung, die durch die Friedliche Revolution in der DDR und den Fall der Mauer am 9. November 1989 auf ganz Deutschland ausgedehnt werden konnte.

Die wehrhafte Demokratie und der Kampf gegen den Antisemitismus gehen also Hand in Hand und begründen eine demokratische Erinnerungskultur. Denn sie betrifft grundsätzlich die Art und Weise, wie eine Mehrheitsgesellschaft mit Minderheiten umgeht. Wie sie also das Aufblühen selbstbewussten jüdischen Lebens schützt und sich mit diesem solidarisch zeigt.

Eine gute Lektüre des November-Newsletters wünscht

Raimund Grafe, Erich-Zeigner-Haus e.V. | kontakt@erich-zeigner-haus-ev.de

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Auf unserer Website unter Koordination erfahrt Ihr, welche Mitarbeiter_in aus der TolSax-Koordination  für welche Eurer Fragen die richtige Ansprechperson ist.

Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.

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